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Veröffentlicht am, 16.09.2022
Philipps-Universität Marburg
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Arbeitsgruppe Digitalisierung und Prozessmanagement
Bachelorarbeit zum Thema: Akzeptanz von Health Games in der deutschen Medizin
Vorgelegt von:
Maximilian Seel
Lutherstraße 21
35037 Marburg
Erstprüfer: Nadine Ostern
Zweitprüfer: Michael Stephan
Marburg 09.02.2021
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
App – Applikation
CAD – Computer-aided Design
DKOU – Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie
HG – Health Game
MP – Medizinprodukt
KH – Krankenhaus
OP – Operationsraum
IMPP – Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen
Zitat:
“People form attitudes and Intentions towards trying to learn to use the technology prior
to initiating efforts directed at using it “ (Davis 1989)
Abstract
In dieser Arbeit geht es um die Akzeptanz von Spieleanwendungen zur Gesundheitsförderung im deutschen Medizinwesen sowie welche qualitativen Kriterien, die diese Spiele erfüllen müssen um sowohl von Ärzten, anderem medizinischen Personal und Patienten akzeptiert und verwendet zu werden. Um die zu bewertenden Aspekte an Beispielen zu testen werden wir mehrere
Experteninterviews mit praktizierenden Medizinern führen. Als exemplarisches Beispiel dient das Programm ‚Emerge‘ (Patient Zero Games), bei dem es sich um eine von Prof. Dr. Med. Tobias Raupach an der Universität Göttingen entwickelte digitalen Notaufnahmesimulation handelt. Die Mediziner werden im Interview auch zu den Potenzialen und Risiken in Bezug auf die Verwendung von gamifizierten oder computerassistierten Anwendungen in der modernen Medizin gefragt Die Experteninterviews wurden mit den praktizierenden Medizinen Dr. Klaus Schlüter- Brust, Dr. Holger Hahne und Dr. Daniel Rosenthal durchgeführt. Ihre Meinungen sollen mit jenen von Studierenden (Herr Ben Nicklas Schmermund, Herr Philipp Kuthan und Herr Gerrit Voss) verglichen werden, um zu untersuchen, ob Unterschiede in der Haltung gegenüber digitalen Neuerungen und Health Games in Verbindung mit der Berufserfahrung und dem Alter der Befragten vorliegen. Die Zielsetzung der Arbeit besteht darin, qualitative Faktoren und deren Relevanz in Bezug auf die Akzeptanz von ‚Serious Games for Health‘ in der deutschen Medizin zu identifizieren.
Einleitung
In der heutigen Zeit sind branchenübergreifend die Auswirkungen des digitalen Wandelszu spüren, etwa beim mobilen Einkaufen per App oder dem Business-Meeting im Home- Office. Untrennbar mit diesem Wandel in der Gesellschaft verknüpft ist das Aufkommen neuer digitaler Technologien und der Versuche, diese erfolgreich in den Arbeitsalltag zu integrieren. Auch in der Medizin findet seit einigen Jahren ein kontinuierlicher Übergang in das Digitalzeitalter statt. Allerdings belegte Deutschland 2018 laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung zum Digitalisierungsgrad der Medizin im Vergleich mit 30 anderen europäischen Ländern nur den vorletzten Platz mit einem Digital-Health-Index-Score von 30 (vgl. Thiele et al. 2018, S.225) Es stellt sich daher die Fragen nach den Gründen für diesen Rückstand auf europäischer Ebene. Das Augenmerk der modernen Digitalisierungsforschung fokussiert sich zunehmend auf
unkonventionellen Feldern, zu denen auch ‚Serious Games‘ zählen. Dieser Begriff bezieht sich auf verschiedene Ansätze wie z. B. Pädagogik mit praktischen
Anwendungen. Spiele sind ein Grundbestandteil des Wachstumsprozesses, des frühen Lernens und damit der Erziehung eines jeden Menschen, weil sie trotz ihrer Einfachheit
viele wertvolle Einflüsse vermitteln können. Aber ab einem gewissen Alter wird jedoch das theoretische dem praxisorientierten Lernen vorgezogen (vgl. Abt 1970, S. 3 f.).
Durch den technischen Fortschritt ist es heute möglich, ‚ernste‘ Spiele für alle Altersklassen attraktiv zu gestalten. In Deutschland gibt es 34,3 Mio. sogenannte Gamer,
von denen 42 % gelegentlich und 36 % regelmäßig spielen. Der Altersdurchschnitt dieser Personen beträgt 37.5 Jahre (vgl. Verband der deutschen Games-Branche (2020) S.15).
Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf ‚Serious Games for Health‘. Dieser Ansatz verknüpft und optimiert Lernprozesse in der Medizin mit digitalen Spielen und bietet
ferner weitere Einsatzmöglichkeiten. Der Ansatz, Inhalte in einem spielerischen Rahmen zu vermitteln, ist dabei keineswegs neu (vgl. Abt 1970, S. 4), jedoch ist die Ebene der
digitalen Spielplattform auch wegen der noch jungen Entwicklungshistorie nach wie vor unerschlossen. Der Markt für Computer und Konsolenspiele ist eines, der sich am schnellsten entwickelnden Gebiete der Unterhaltungsbranche. Durch den Verkauf von Video- und Mobile-Games konnte von 2018 auf 2019 ein Umsatzanstieg um 6 % von 5.904 Mrd. Euro auf 6.231 Mrd. Euro verzeichnet werden (vgl. Verband der deutschen Games-Branche (2020), S. 15). Das Wachstumspotenzial dieser Branche wird auch durch eine Studie des
Marktforschungsunternehmens ‚Newzoo‘ belegt. Die Schätzungen besagen, dass der weltweite Umsatz der Games-Industrie bis Ende 2023 von aktuell 160 Mrd. US-Dollar
auf 200 Mrd. US-Dollar ansteigen wird (Verband der deutschen Games-Branche (2020), S. 26). Entwickler wie ‚Patient Zero Games‘ verfolgen das Ziel, Plattformen und ihre
Möglichkeiten zu nutzen, um Inhalte für Mediziner anschaulicher und greifbarer zu gestalten. Bei diesem Vorhaben kommt das Modell der ‚Gamification‘ zum Einsatz.
Gamification bzw. Gamifizierung beschreibt das „Übertragen von spieltypischen Elementen in spielfremde Zusammenhänge mit dem Ziel der Verhaltensänderung und Motivationssteigerung der Anwender und Anwenderinnen” (vgl. Bendel 2019). Schätzungen zufolge handelt es sich bei ca. 3 bis 5 % der in Deutschland erstellten Produkte der Computer- und Videospielindustrie um Serious Games. Häufig fehlen jedoch Fördermittel, um kompetitive Produkte zu entwickeln (vgl. Castendyk/Müller- Lietzkow 2017, S. 142). Würde die Rolle von Serious Games for Health in der Medizin
mehr anerkannt, stünden höhere Fördermittel zur Verfügung, um dieses vielversprechende Themengebiet genauer zu erforschen.
Die Frage danach, wie diese zusätzliche Anerkennung herbeigeführt und wie die Ärzteschaft erfolgreich an das Konzept herangeführt werden kann, wird im Folgenden
behandelt. Die These der vorliegenden Arbeit bezieht sich auf praktizierende Ärzte, die in der Regel auch die Entscheidungsträger in der Medizin sind: Es wird vermutet, dass
ältere Ärzte neuen Technologien sowie dem spielerischen Lernansatz eher ablehnend gegenüberstehen, wohingegen das Konzept der Gamification und Digitalisierung bei
jüngeren Ärzten eher Anklang findet.
Theoretische Grundlagen
Definition Serious Games
Den Begriff Serious Games klar zu definieren fällt anfangs schwer. Oft werden Synonyme wie Edutainment, E-Learning oder Simulation verwendet (vgl. Dadaczynski 2016 S.191) Die wesentliche Unterscheidungskomponente von Serious Games zu herkömmlichen Videospielen liegt in dem Zweck der Anwendung, da Serious Games nicht der Unterhaltung und somit der Generierung von möglichst viel Umsatz dienen. Sondern dem Vermitteln von Wissen, Handlungsmustern oder Fähigkeiten (vgl.
Dadaczynski et al. 2016 S.191f). Der Begriff Serious Games wurde erstmals von Clark C. Abt 1970 in seinem Werk „Serious Games” erwähnt. Ein Spiel ist demnach eine abstrakte Darstellung des Lebens, bei der sowohl soziale Prozesse simuliert als auch theoretische wie praktische Komponenten miteinander vereint werden (vgl. Abt 1970, S. 4 f.). Der Gedanke, mit einer
spielerischen Komponente Lernen vor allem für junge Menschen zugänglicher zu machen, ist bereits alt, doch der Autor bezieht sich auf den grundlegenden Charakter
der Spiele und auf die Art und Weise, wie sie in allen möglichen Lebensbereichen vorkommen können.
Lehrmethoden entfernen sich immer weiter vom davon, vor allem Jüngeren die Möglichkeit zu bieten, abstrakte Gedankengänge durch die Verbindung mit konkreten Aktionen greifbar und verständlich zu machen (vgl. Abt 1970 S.4). Abt führt an, dass die Ergebnisse bei Programmen, bei denen die Teilnehmer interaktiv an der Lösung arbeiteten schneller und meist effizienter zu einem Ergebnis führten (vgl. Abt 1970 S.11).
Das Integrieren der Lernenden in den Prozess selbst, sodass sie eigenständig theoretische Konstrukte nachvollziehen oder anwenden müssen, hilft nachweislich beim
Verständnis dieser Konstrukte (vgl. Dadaczynski et al. 2016, S.19ff, 59-61, 69). Allerdings ist anzumerken, dass sich die Welt seit 1970 gewandelt hat und mit ihr auch
das Verständnis von Serious Games. Einer Studie zur Computer- und Videospielindustrie in Deutschland der Hamburg Media School zufolge reicht eine bloße Eingrenzung auf die ernsthafte Seite bei Computerspielen nicht aus, um den gesamten Umfang der Einsatzmöglichkeiten der Health Games zu definieren (vgl. Castendyk/Müller-Lietzkow 2017, S. 138). Oft werden ‚Educational Serious Games‘ als einziger Anwendungsbereich der Health Games dargestellt, während zum Teil noch Simulationen (beispielsweise im Militär) dazugezählt werden. Allerdings sind Serious
Games eher als Allzweckwaffe zu betrachten, die in jedem Bereich, in dem digitale Medien vorkommen, verankert sein kann (vgl. Castendyk/Müller-Lietzkow 2017, S. 138
f.). Ist ein Spiel zu stark auf den pädagogischen Aspekt ausgelegt, wird es für Nutzer schnell langweilig und sie verlieren die Motivation, weiterzuspielen. Liegt der Fokus hingegen zu
sehr auf der Unterhaltung, werden Nutzer abgelenkt und der gewünschte Lerneffekt bleibt aus. Es ist also ein Gleichgewicht herzustellen und diese Anforderung wird auch
Optimierungsdilemma genannt. Dieses beschreibt die Hauptaufgabe, der sich erfolgreiche Entwickler in dem Bereich stellen müssen (vgl. Dadaczynski et al. 2016, S.S. 327f).
Eine weitere Besonderheit von Serious Games ist, dass sie als Synthese aus Medium und Spiel fungieren (vgl. Breuer/Schmitt 2017, S. 2 f.). Gerade deshalb bieten die Spiele auch spezifische Funktionen. Beispielsweise können Anwenderdaten schneller gesammelt und ausgewertet werden, als es mit herkömmlichen Methoden wie Umfragen möglich ist. In der normalen Entwicklung eines Spiels sollen anhand dieser Funktion Fehler (sog. Bugs) schneller entdeckt und behoben werden, oder die Demografie und das Verhalten der Spieler sollen auf diese Weise analysiert werden. Diese Daten sind relativ unverfälscht, weil Anwender sich auch trotz Einwilligung, der Beobachtungssituation innerhalb des Spiels oft nicht bewusst sind.
Einige Forscher betonen, dass die Ziele von Serious Games über die Wissensvermittlung hinausgehen sollten (vgl. Breuer/Schmitt 2017, S. 3). „Serious Games sind digitale Spiele, die intendiert Fähigkeiten und Wissen vermitteln“ (Bopp 2009, S. 2). Somit können Serious Games nicht nur theoretische, sondern auch praktische Inhalte wie Verhaltensweisen vermitteln.
Wechselberger zufolge sind drei Aspekte für Serious Games entscheidend: die Interaktion zwischen den Beteiligten, die Künstlichkeit der Spielwelt und die Regeln, die
den Handlungsraum beschränken (vgl. Wechselberger 2009, S. 95). Der Begriff des Spiels ist theoretischer Natur, der häufig mit Vereinfachung oder infantilem Verhalten in Verbindung gebracht wird. Dabei handelt es sich jedoch um einen Fehlschluss, da jedes zu erreichende Ziel sowie jede Regel und jede Norm, der man sich unterwirft, als spielerisches Konzept verstanden werden kann. Letztlich ist von Bedeutung, dass die Motivation, sich in dieses System zu begeben und sich an seine Regeln zu halten, intrinsisch bedingt ist. Diese Motivation soll über das Konzept der
Gamification erwirkt werden. Hierbei werden spieltypische Elemente in einem spielfremden Kontext verwendet. (vgl. Dadaczynski/Schiemann/Paulus 2016 S.197)
Durch Anreize wie ein Ziel, einer Belohnung, oder einer Fortschrittsanzeige, werden die Anwender motiviert, sich länger mit dem Spiel auseinanderzusetzen. Grade im Gesundheitssektor gibt es in letzter Zeit zahlreiche Beispiele in Form von Fitness-Apps, denen im Zusammenhang mit Sport eine motivierende Wirkung nachgewiesen wurde (vgl. Sokolov 2020 S.42).
Definition Health Games
Der Begriff ‚Serious Games for Health‘, kurz Health Games, etablierte sich mit der ersten Games-for-Health-Konferenz 2010 (vgl. Games for Health Europe 2018). 2012 erschien
das erste Games-for-Health-Journal, in dem die neusten Entwicklungen in dem Bereich gesammelt und der Fachgemeinde präsentiert wurden (vgl. Games for Health Journal
2020). In der Medizin werden Health Games häufig zu Aus- und Weiterbildungszwecken genutzt. Sie richten sie sich allerdings nicht nur an Fachpersonal, sondern oft auch an Patienten. Die Beispielsoftware der vorliegenden Arbeit ‚Emerge‘ wurde vorrangig für Medizinstudierende entwickelt und kann ebenfalls für die Weiterbildung praktizierender Mediziner genutzt werden. In den entsprechenden Modulen können beispielsweise Arbeitsprozesse eines Krankenhauses simuliert und somit in der Realität verbessert werden. Auch Ausnahmesituationen wie Evakuierungen oder ein Katastrophenfall können mit einer Simulation ressourcensparend eingeübt werden (vgl. Baumann/ Brechtel/Raupach 2019, S. 113 f.).
In der medizinischen Kommunikation werden Spiele wegen ihrer immersiven Komponente verwendet. ‚Immersion‘ beschreibt das Eintauchen in eine virtuelle Welt, das so intensiv werden kann, dass das Gehirn sich der Grenzen zur Realität nicht mehr bewusst ist. Diese Eigenschaft wird in der medizinischen Kommunikation eingesetzt, um den Patienten den Umgang mit Schmerzen zu erleichtern oder sie bei schmerzhaften Eingriffen abzulenken (vgl. Breuer/Schmitt 2017, S. 3). Bei einem der erfolgreichsten Serious Games for Health, ‚Re-Mission‘, wird dieser Umstand in Kombination mit einer pädagogischen Komponente genutzt. Die Spieler sind häufig an Krebs erkrankte Kinder, 7 die lernen, ihren Zustand zu begreifen, indem sie den Krebs virtuell bekämpfen.
Beispielswiese können sie auf diese Weise lernen, dass sie auch im echten Leben ihre Situation durch kontinuierliche Medikamenteneinnahme verbessern können.
Health Games können nach ihrer Funktionalität, den Adressaten (Patienten, Ärzte) und den Angebotsbereichen (Ausbildung, Prävention, Therapie) gegliedert werden (vgl.
Wattanasoontorn/Boada/Hernández/Sbert 2013, S. 12 f.). Health Games können auch in der Überwachung, also dem Monitoring von Patienten eingesetzt werden. Zum Beispiel werden bei Herzpatienten bei der Verwendung der Software gleichzeitig die Vitaldaten anhand telemetrischer Messungen überwacht (vgl. Wattanasoontorn et al. 2013, S. 14). Diese Art des Monitorings kann in der Medizin auch zur Überwachung der Medikamenteneinnahme oder zur Vereinfachung psychologischer Einschätzungen genutzt werden. Wird Emerge als Ausbildungssoftware für Studierende
genutzt, besteht die Möglichkeit, alle vorhandenen Daten miteinander zu vergleichen und die häufigsten Fehler bei Diagnosen zu identifizieren.
Die Bandbreite bezüglich des Einsatzes von Health Games gestaltet sich noch größer als jene der Serious Games. Die Ausbildung von Ärzten, das Schulen von Patienten sowie die direkte Behandlungsunterstützung und das Monitoring von Vitalfunktionen sind die gängigsten Anwendungsbereiche in der Medizin. Zum jetzigen Zeitpunkt werden bereits einige Programme, die nach den genannten Kriterien der Kategorie der Health Games zugeordnet werden können, in Deutschland eingesetzt. Im Folgenden Abschnitt werden einige Beispiel angeführt.
Einsatz von Health Games in der deutschen Medizinbranche
Nationale Beispiel
Exergames
Die Exergames beschäftigen sich mit den Vorzügen von Bewegungsspielen. Per Definition sind Exergames jegliche Form der Kombination aus körperlicher Bewegung und der Interaktion mit digitalen Spielen. (vgl. Schneider 2016 S.23) Hierbei werden wieder die Anreize der Gamification genutzt um die Nutzer anhaltend zu mehr Bewegung zu motivieren. Insbesondere für Patienten deren Krankheit sich auf den Bewegungsapparat auswirkt, stellen diese Programme eine Alternative dar. Eine Studie zeigt, dass Exergames, bei der Behandlung von Patienten mit Parkinson valide, in
einigen Fällen sogar effektivere Alternativen zu herkömmlichen Therapien darstellen. (vgl. Garcia-Agundez 2016 S.14)
Luftikids
Luftikids© ist ein Educational Serious Game von ‚OuterMedia‘, mit dem Kinderx zwischen acht und zwölf Jahren, die an Asthma erkrankt sind, auf einem spielerischen Weg mehr Wissen über ihre Krankheit vermittelt werden soll. Die Themenfelder des Spiels sind Asthma im Alltag, die Lunge und die Funktionalität der Atmung, nötige Medikamente und bewusstes Atmen. Auf diese Weise lernen die Kinder, mit ihrer Krankheit besser umzugehen. Das Online-Schulungsprogramm kann von Ärzten verschrieben werden und findet in der Praxis Anwendung. Laut einer Studie der Universität Gießen können durch das Nutzen der Software die Symptome sowie die Medikamenteneinnahme der Betroffenen verringert werden. Ferner kann das Wissen um die Krankheit der Studie zufolge nachweislich gesteigert werden (vgl. Schmidt 2014).
Emerge
Die Software Emerge wurde exemplarisch allen im Rahmen dieser Arbeit interviewten Personen vorgestellt. Die Idee dahinter fußt auf der Annahme, dass
Medizinstudierenden im Studium zwar zahlreiche fachliche und kognitive Inhalte vermittelt werden, aber Lernziele wie die Differentialdiagnostik und -therapie in der Notaufnahme nicht ausreichend abgebildet werden (vgl. Baumann et al. 2019, S. 108).
Emerge des Hamburger Entwicklerstudios ‚Patient Zero Games‘ ist eine virtuelle Notaufnahmesimulation, die in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen, unter anderen mit Prof. Dr. Tobias Raupach, entwickelt wurde. Im Medizinstudium wird den Studierenden viel abverlangt und die Arbeit in der Notaufnahme zählt für junge Mediziner zu einer der stressigsten Situationen während
des Studiums, da oft Hektik herrscht. Es ist in den Kliniken häufig nicht möglich, dass sich immer ein Betreuer um die Fragen aller Studierenden und gleichzeitig um das Wohl der Patienten kümmert, da Zeit und Mittel dafür fehlen. Emerge ermöglicht den angehenden Medizinern, ihr erlerntes theoretisches Wissen ohne Risiken an virtuellen
Patienten zu testen oder zu verbessern. In einer dreidimensional modellierten Notaufnahme muss der Anwender einen virtuellen Arzt durch die Zimmer steuern und mit Patienten interagieren. Oft beschreibt der Patient seine Symptome nur unzureichend und die Zeit reicht nicht immer für eine ausdifferenzierte Diagnose (vgl. Baumann et al.
2019, S. 108).
Durch die Nutzung des Programms sollen sich Abläufe wie eine aufschlussreiche Anamnese, die Verteilung der Patienten auf die gegebenen Räumlichkeiten oder Routinen wie das Desinfizieren der Hände durch zahlreiche Wiederholungen und Übung einstellen.
Die Folgenden von Dr. Tobias Raupach aufgestellten Hypothesen sind noch nicht durch Studien belegt, stellen aber sehr gut dar welche Ziele man mit Emerge verfolgt. Mit dem Programm
(vgl. Baumann et al. 2019, S.110)
Die Ergebnisse können dann miteinander verglichen und wie etwa an der Universität Göttingen von erfahrenen Medizinern ausgewertet werden. Dadurch fällt der reale Einstieg in die Notaufnahme vielen Medizinern deutlich leichter. Wie eine Studie der Universität Göttingen belegt, schnitten Studierende, die nur mit der Software arbeiteten,
bei einer identischen Prüfung mindestens genauso gut ab wie diejenigen, die in Kleingruppen ohne Software lernten (vgl. Middeke et al. 2018).
Methodik
Struktur des Frageleitfadens
Bei der Erstellung des Leitfadens für das semistrukturierte Interview dieser Arbeit wurde auf ein grundlegendes Modell der Akzeptanzforschung und der Wirtschaftsinformatik
zurückgegriffen, dem Technologie-Akzeptanz-Modell nach Davis. Es handelt sich im Wesentlichen um die Akzeptanz einer neuen Technologie, in Form eines Computerprogrammes.
Im Modell nach Davis ergibt sich die Nutzungsbereitschaft aus zwei Faktoren: dem wahrgenommenen Nutzen (inwiefern verbessert sich die Arbeitsleistung des Nutzers durch die neue Technologie) und der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit (mit wie viel Aufwand ist das Erlernen der neuen Technologie verbunden) (vgl. Davis 1989, S. 1
ff.) Jedoch beziehen sich beide Faktoren nicht auf die tatsächlichen Eigenschaften des Programms, sondern auf die Wahrnehmung der Anwendenden. Es handelt sich also
quasi um eine Kosten-Nutzen-Abwägung für Anwendende. Die Faktoren begründen sich zwar grundsätzlich in der subjektiven Wahrnehmung der Nutzer, werden aber durch
externe Variablen maßgeblich beeinflusst (vgl. Davis 1989 S.15 ff.). Aus den genannten Faktoren bildet sich die Einstellung gegenüber der Nutzung neuer Technologie und daraus die Intention zur Nutzung. Ist die Intention positiv, werden die Anwendenden die Technologie nutzen bzw. kurzfristig ausprobieren. Ist die Intention
negativ, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Anwendenden die Technologie gar nicht erst ausprobieren. “People form attitudes and Intentions towards trying to learn to use the technology prior to initiating efforts directed at using it “ (vgl. Davis 1989)
Die Kategorien wurden induktiv aus den Interviews hergeleitet und sind im Anhang zu finden (s. Anhang 7). Sie werden genutzt, um die Aussagen in thematische Übergruppen positiver und negativer Akzeptanzeinflüsse einzuteilen. Durch die Zusammenfassung der einzelnen Faktoren entstanden folgende Übergruppen.
Positiver Einfluss auf Akzeptanz durch externen Faktor | A | |
Negativer Einfluss auf Akzeptanz durch externen Faktor | B | |
Positiver Einfluss auf Nutzungsintention | ||
der Ärzte, Studierenden und Pfleger direkt | A1.i | |
Negativer Einfluss auf Nutzungsintention | ||
der Ärzte, Studierenden und Pfleger direkt | B1.i | |
Positiver Einfluss auf die Nutzungsintention durch | ||
Patienten oder allgemeine Strukturen | A2.i | |
Negativer Einfluss auf die Nutzungsintention durch | ||
Patienten oder allgemeine Strukturen | B2.i |
Faktoren wie sozialer Druck und monetäre Ressourcen wurden weitestgehend nicht berücksichtigt, außer wenn sie von den Befragten eigenständig angeführt wurden. Eine
weitere Einschränkung, die beim Erstellen des Leitfadens beachtet wurde, war der Umfang, da praktizierende Mediziner häufig unter Zeitdruck stehen. Deshalb wurde die
angestrebte Interviewzeit auf maximal 60 und mindestens 40 Minuten festgelegt. In Bezug auf die Beschaffenheit der Fragen ist zu sagen, dass ein offener Diskurs zu den
Themenblöcken erreicht werden sollte, weshalb auf geschlossene Fragen verzichtet wurde. Der Leitfaden dient folglich der Durchführung eines semistrukturierten Interviews
und es soll durch ihn lediglich der thematische Fokus garantiert werden. Auf diese Weise soll die Gesprächskultur nicht zu sehr eingegrenzt werden und den Befragten soll
möglichst viel Freiraum gelassen werden, damit sie auch neue Punkte anführen können (s. Anhang 8).
Die befragten Personen wurden auf Grundlage von zwei Hauptkriterien ausgewählt. Einerseits wurden Mediziner ausgesucht, die ihren Beruf länger als 20 Jahre ausüben
und eine leitende Rolle in einem Krankenhaus oder einer Klinik bekleiden. Dadurch sollte der Einblick sowohl in das Meinungsbild älterer Generationen als auch von Entscheidungsträgern in der Medizin gewährleistet werden. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um jüngere Medizinstudierende, die mindestens ihr Physikum (Zwischenprüfung) bestanden haben und sich in den praktischen oder klinischen Semestern befinden. Diese Gruppe wurde gewählt, um die These eines möglichen Altersgefälles in der Akzeptanz neuer Technologe, mit dem Schwerpunkt Health Games,
zu untersuchen. In einem nächsten Schritt begann das offene Gespräch. Der Leitfaden wurde in fünf Themenschwerpunkte aufgeteilt, die jeweils mit einer Hauptfrage
eingeleitet wurden. Durch mehrere Unterfragen sollte ein dauerhafter Fokus auf den Themenschwerpunkt gewährleistet werden (s. Anhang 8). Im Themenblock 1 ging es um
die allgemeine Haltung zu moderner Technologie der Befragten, im Speziellen um Computer-Software in der Medizin. Somit sollte ermittelt werden, wie aufgeschlossen die
Befragten generell neuen Technologie gegenüberstehen. Ferner sollte ein leichter Einstieg in das Thema gefunden werden. Da das Technologie-Acceptance-Model nach
Davis als Grundlage für diese Arbeit verwendet wird, wurde auch gefragt, welcher Nutzen aus Software für den Arbeitsalltag gezogen werden kann (‚Percieved Usefullnes‘)
und wie leicht es den Befragten fällt, Software zu erlernen bzw. zu nutzen oder sie in den Arbeitsalltag zu integrieren (‚Percieved Ease of Use‘) (vgl. Davis 1989). Vor allem
ging es dabei um den Wert, den die Befragten diesen beiden Hauptaspekten zumessen. In einem weiteren Schritt wurde gefragt, wie die wissenschaftliche Reliabilität der
Ergebnisse und Methoden Anwendenden vermittelt werden kann, um die subjektive Einsatzbereitschafft zu erhöhen (etwa durch ein Gütesiegel, eine klinische Studie oder
eine Leistungsbewertung wie es das Medizin-Produkte-Gesetz §3 Absatz 1 (MPG) bereits für andere Software vorsieht). Im zweiten Themenblock wurden konkrete Fragen
zu Serious Games for Health gestellt. Dazu wurde zunächst der Wissenstand der Befragten ermittelt. Einen groben Überblick gab das beigelegte Informationsmaterial,
allerdings sollte vor allem herausgefunden werden, inwieweit die Befragten schon vorher mit der Thematik in Kontakt gekommen waren. Es wurde dementsprechend nach dem
Einsatz von Health Games oder Apps im privaten sowie beruflichen Rahmen gefragt. Darauffolgend wurde eine direkte Frage zum Nutzen der Health Games gestellt und es
wurde nach den Gründen für die Nutzung bzw. Nichtnutzung gefragt. Für den Zweck der Arbeit wurde von Patient Zero Games der Emerge-Notaufnahme-Simulator zur
Verfügung gestellt, weshalb sich die Fragen im dritten Themenblock auf dieses Beispiel beziehen. Hatte der Befragte zuvor die Software nicht getestet, wurde sie ihm
beispielhaft beschrieben und die Vorzüge in der Ausbildung von Medizinstudierenden wurden dargelegt. Im Anschluss erfolgte eine Diskussion darüber, ob die Befragten den Einsatz von Programmen wie Emerge in der Ausbildung von Medizinstudierenden als sinnvoll erachten. Im letzten Themenblock wurde zusammenfassend die Meinung der
Befragten zu dem den Health Games zugrundeliegenden Prinzip der Motivationssteuerung anhand gamifizierter Anreize evaluiert. Dazu wurde gefragt, ob sie
Potenzial im Einsatz von Health Games in der Medizin sehen. Zum Schluss und falls der zeitliche Rahmen dies noch zuließ, wurde ein offenes Gespräch über Health Games
geführt und die Meinung der Befragten wurde genauer aufgeschlüsselt und ergründet.
Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring
Anhand der festgelegten Kodierung (s. Anhang 7) wurden externe Faktorkategorien identifiziert, die die Nutzungsintention positiv oder negativ beeinflussen. Die Interviews
von Prof. Dr. Schlüter-Brust, Dr. Hahne, Dr. Rosenthal wurden zuerst zusammenfassend ausgewertet und im Anschluss erfolgte die Auswertung der Interviews von Herrn
Schmermund, Herrn Kuthan und Herrn Voss. Im ersten Teil der Auswertung sollten die Aussagen der Befragten so zusammengefasst werden, dass ersichtlich wird, welche
Punkte sie in der Akzeptanzfrage von Health Games in der deutschen Medizin für besonders relevant halten und welchen sie geringere Bedeutung beimessen. Die
Analyseeinheit besteht aus sechs Interviews und bei der Auswertungseinheit handelt es sich jeweils um die Antworten der Experten auf einzelne Fragen, die sich aus dem
Leitfaden oder dem Gesprächskontext ergaben. Die Kodiereinheiten, also die kleinsten analysierten Textbestandteile, beziehen sich auf mindestens einen vollständigen Satz
der Befragten. Als Kontextanteil konnten ein ganzer Absatz der Antwort sowie Teile oder die Gesamtfrage des Interviewers zum besseren Verständnis miteinbezogen werden.
Die genaue Reduktion ist im Kodierleitfaden nachzulesen. Nachfolgend werden die Interviews auf ihre Kernaussagen reduziert, paraphrasiert und zusammengefasst dargestellt.
Interview Herr Prof. Dr. Klaus Schlüter Brust
Herr Prof. Dr. Schlüter-Brust ist seit zehn Jahren als Oberarzt an der Klinik für Orthopädie im Franziskus-Hospital Köln tätig. Er arbeitet seit 23 Jahren in der Medizin und leitet das
Zentrum für Endoprothetik der Maximalversorgung. (Alter 43) Außerdem ist er in den (Weiter-)Entwicklungsprozess der MediCAD-3D-Software, einer Planungssoftware für Orthopädische Eingriffe, die das projizieren von CT und MRT Scans auf ein dreidimensionales Modell des Patienten ermöglicht, eingebunden, die er seit 17 Jahren einsetzt. Da er selbst die Zeit der händischen Planung noch miterlebt habe, wisse er um die Zeitvorteile, die die Software bietet. Er selbst bezeichnet sich als technikaffin und dementsprechend sieht er die Auswirkungen der Computerunterstützung auf die Medizin positiv. Der Zeitgewinn bei der Planung oder durch roboterunterstützte Operationen sei bedeutend und auch die Präzision stiege dadurch. Allerdings gibt der Mediziner zu
bedenken, dass auf internationaler Ebene viele Länder in Sachen Digitalisierung und Technik hinterherhinkten, auch Deutschland. Professor Schlüter-Brust nahm sich die
Zeit, Emerge auszuprobieren und sich in die Thematik der Health Games einzulesen. Auf die Frage, ob ihm bei Health Games eine gewisse Ernsthaftigkeit fehle, antwortete er, dass der Beruf des Arztes sehr trocken und ernst sei. Er könne sich deswegen vorstellen, dass einige Kollegen Vorbehalte demgegenüber haben könnten. Allerdings finde er gerade in Bezug auf die Ausbildung der Studierenden, dass ein spielerischer Aspekt das in der Medizin unabdingbare Auswendiglernen etwas auffrischen könnte. Dementsprechend sei es für ihn nur logisch, dass die Anreize, die in der Spieleindustrie eingesetzt werden, auch zur Motivation beim Lernen genutzt werden. Ihm selbst habe im Studium oft das Verständnis für Zusammenhänge gefehlt. Durch das Verständnis
eben dieser Zusammenhänge könne ein besserer Lernerfolg erzielt werden und praxisorientierte Spiele könnten gut dabei helfen. Die Strukturen im Medizinstudium
seien etwas veraltet, auch wenn es sich in die richtige Richtung entwickele. Es wurden in dem Gespräch auch die unfreiwilligen Nebenlerneffekte bei Spielen wie Reflexe und
eine höhere Entscheidungsfreudigkeit thematisiert. Professor Schlüter-Brust merkte an, dass die jungen Generationen viel besser an den technologischen Wandel angepasst
seien. Eine Problematik in der Akzeptanzfrage sei sicher auch der Name ‚Health Games‘, da das Wort ‚Spiel‘ mit fehlender Seriosität in Verbindung gebracht werde.
Allerdings sehe er auch bei Emerge viele Parallelen zu einer Simulations- oder Trainingssoftware. Er verweist dabei auf die Umgebung, in der trotz spielerischer
Elemente trainiert würde. Daraufhin zieht er einen Vergleich zu einem haptischen Feedback-Instrument, dass er am Imperial College in London zum Üben von
Arthroskopien nutzte. Er wirft dabei die Frage auf, ob diese Übung schon unter das Prinzip der Health Games falle. Hierbei müssten die Anreize beachtet werden, die einen
dazu bewegen, das Spiel auszuprobieren. Allein die Verbesserung der eigenen Fähigkeiten oder das Erreichen einer gewissen Qualität könne dabei als Anreiz genügen,
um es als Spiel einzuordnen. Gerade wenn die Motivation intrinsisch ist und nicht über eine auferlegte Aufgabe oder Wettbewerb erzeugt wird, liegt beim Nutzer ein stärkerer Antrieb zur Nutzung vor (vgl. Dadzinski et al. 2016). Diesem Punkt stimmt Professor Schlüter-Brust zu. Es werden mehrere Anreizoptionen erläutert und er stuft das Konzept
der gamifizierten Motivationssteuerung als sinnvoll ein. „Ich frage mich die ganze Zeit so, ob dieser pseudoseriöse Bereich der Medizin dafür die beste Adresse ist” (Anhang 1 Transkript Klaus Schlüter Brust Z. 150–151). Eine der größten Hürden für ein solch neues Konzept sieht Professor Schlüter-Brust in der Fehlerkultur, die in der Medizin und
vor allem in der Chirurgie gepflegt wird. Er könne sich vorstellen, dass eher eine negative Kompetition entstünde, durch die sich Ärzte von komplexer oder unverständlicher
Software eher abwenden würden, anstatt zu versuchen, sie besser zu verstehen. Er sieht in der Medizin eine eher reservierte Einstellung in Bezug auf die Akzeptanz neuer
Technologie und vor allem Software gegenüber. Diese Aussage unterstützt die These, dass in der Medizin im Allgemeinen ablehnend auf Innovationen reagiert wird. In Bezug auf die anderen Teilnehmenden sagte Professor Schlüter-Brust, dass es ihn überraschen würde, wenn die jüngeren Ärzte kein Interesse an derlei Konzepten zeigen würden. Jedoch könne dies dann auch daran liegen, dass sie dieselben anachronistischen Lehrstrukturen durchlaufen würden und diese beigebracht bekämen. Sei die Lehre veraltet, würden die jungen Ärzte im Beruf nicht offener als ältere Ärzte
reagieren. In diesem Zusammenhang wurde ein Bezug zum Schulsystem hergestellt: Anhand dessen könne man sehen, dass nicht nur die Hochschulen den Möglichkeiten der Digitalisierung in hohem Maße hinterherhinken, sondern auch die normalen Grundund Sekundarschulen. Er führt an, dass sein Sohn gerade in der Schule digitale Lernangebote erhalte und er ihn „noch nie so motiviert und lustvoll habe lernen gesehen” (vgl. Anhang 1 Transkript Klaus Schlüter Brust Z. 203–209). Der Wandel müsse von unten her geschehen. In der klinischen Medizin verstünde nur die Hälfte der
Anwendenden die 2D-Softwareangebote und 3D sei trotz höherer Effektivität noch ein „absoluter Kolibri“ (vgl. Anhang 1 Transkript Klaus Schlüter Brust Z. 217). Normalerweise
würden auf der ‚DKOU‘ in Berlin, dem größten Kongress für Orthopäden in Deutschland, altmodische Vorträge gehalten. Er habe aber die Zusage erhalten, über ‚Augmented Reality‘ im OP und seine ersten Erfahrungen mit dem System zu referieren. Er sei überrascht, aber erfreut über die Zusage gewesen und leite daraus ab, dass sich die Dinge bereits in die richtige Richtung entwickelten. Auch die erzwungen Digitalisierungswelle durch die Corona-Pandemie habe durchaus positive Folgen. Die Chefarztkonferenzen im Zoom-Meeting seien deutlich kürzer, angenehmer und „würziger“ (vgl. Anhang 1 Transkript Klaus Schlüter Brust Z. 232). Professor Schlüter- Brust zeigte sich angetan von den Online-Konferenzen. Hinsichtlich Emerge merkte er noch an, dass es hilfreich wäre, wenn das Programm in eine Art editierbare Bibliothek „wie Wikipedia ” (vgl. Anhang 1 Transkript Klaus Schlüter Brust Z.263-264) strukturiert wäre, um möglichst viele Diagnosevarianten abzudecken. Bei der Frage danach, wie es möglich wäre, in diesem Fall die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse den Anwendenden zu vermitteln, erwähnt er die Ärztekammer und stellt die Pflicht zum Sammeln von Fortbildungspunkten in Aussicht. Die Idee, dass solch eine Software unter das MPG fallen könnte, sieht er als interessant aber eher unwahrscheinlich an. In Bezug auf
Monitoring sieht der Professor das größte Fehlerpotenzial in der menschlichen Komponente, da Patienten, die Falschangaben machen oder die Medikamenteneinnahme verweigern, an der Tagesordnung seien. Der Prozess der Medikamenteneinnahme und Abgabe müsse automatisiert werden oder mittels Roboter stattfinden. Um Patienten zusätzlich zu motivieren, schlägt er Anreize seitens der
Krankenversicherungen vor. Beispielsweise könnten die Patienten für ihre Kooperation In Bezug auf Monitoring eingezahlte Beträge zurückerhalten. Dies dürfe aber nicht in eine Bonus-Malus-Rechnung ausarten. Zum Schluss spricht Professor Schlüter-Brust noch über sein Übungslabor, in dem Studierende an 3D-gedruckten Knochen, die auf
Grundlage von echten Knochen hergestellt werden, trainieren. Diese Übungsmöglichkeit würde von jüngeren gut aufgenommen und mache „einfach einen Riesen Spaß” (vgl.
Anhang 1 Transkript Klaus Schlüter Brust Z. 512). Alles in allem sieht er großes Potenzial in gamifizierten Lernanwendungen in der theoretischen sowie klinischen Medizin.
Interview Herr Dr. Holger Hahne
Dr. Holger Hahne ist seit 14 Jahren Leiter der Überörtlichen Gemeinschaftspraxis für Orthopädie Oelde-Ennigerloh und arbeitete vor seiner Praxistätigkeit als Chefarzt am Krankenhaus Oelde im Bereich der Orthopädie und Endoprothetik. Er wurde 1969 geboren und begann sein Medizinstudium 1991. Er ist folglich 52 Jahre alt und seit 29
Jahren in der Medizin tätig. Obwohl er seit 2003 mit digitaler Unterstützung plant, sieht er darin wenig Vorteile. Der Zeitaufwand würde sogar eher noch steigen. Das
Hauptproblem sieht er darin, dass dieselben Fehler entstünden, da der Mensch als Inputgeber immer noch die größte Fehlerquelle sei. Die Präzision sei durch die Computer oder gar Roboter zwar deutlich höher, aber auch dies berge Gefahren. Verlasse man sich zu sehr auf die Technik, könnte es zu schwerwiegenden Fehloperationen kommen.
Der Mensch als Inputgeber und Kontrolleur nehme dementsprechend eine wesentliche Rolle ein. Er selbst setze keine roboterassistierten Systeme ein und denkt, dass dies allgemein in der deutschen Medizin eher ungewöhnlich sei, da die Software einfach noch nicht so weit ist. Er sehe aber Potenzial im Falle einer Weiterentwicklung. Nach der überleitenden Frage zum Thema Health Games merkt Dr. Hahne an, dass sich dies nicht nach ernsthafter Medizin anhöre. Ein Vorbehalt gegenüber dem Begriff ‚Spiel‘ ist zu bemerken. Nach einer Beschreibung des Konzepts, in der Emerge als Beispiel dargelegt wird, merkt er an, dass eine praxisnahe Ausbildung unabdingbar sei. Die Nähe zum Patienten sei ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung junger Mediziner und ließe
sich nicht durch ein Programm ersetzen. Das menschliche Wesen und Verhalten sei so komplex, dass Software dies einfach noch nicht abbilden könne. Die Vielfalt an Patienten
und deren Emotionen und der Grad an Kooperationsbereitschaft sowie unterschiedliche Symptome müssten in der Praxis gelehrt werden. In der Idee, Patienten über Health
Games in das Monitoring einzubinden, sieht er Potenzial. Durch Software könnten beispielsweise mehrere Symptome abgeglichen und somit differenziertere Diagnosen erstellt werden. Dies treffe vor allem auf Symptome zu, die ein Arzt bei der großen Zahl an Patienten, die er tagtäglich befragt, übersehen könne. Zumal würden die digitalen Abfragen an Patienten umfangreicher und somit vollständiger ausfallen. Im Anschluss ging es um gamifizierte Anreize, zu denen Dr. Hahne anmerkte, dass die genannten Anreize nur im Spiel positive Auswirkung hätten und damit für die meisten Patienten keine echte Belohnung darstellen würden. Positive Motivation würde sowohl im Lernprozess als auch beim Monitoring helfen. Allerdings müsse der Anreiz mit einem
medizinisch sinnvollen Zweck belegt werden und auch außerhalb des Spiels gesetzt werden. Andernfalls sehe er keine ausreichende Motivation zur Nutzung. Betrachte man den digitalisierten Wandel objektiv, sehe er keine allzu große Spaltung in der Nutzungsbereitschaft digitaler Angebote in Abhängigkeit vom Alter. Letztlich hinge dies von den an unterschiedliche Altersgruppen angepasste Anreizen ab. Bei Zoom-Meetings fehle ihm der soziale Kontakt und er rate davon ab, diese Methode für Sprechstunden zu etablieren, da der direkte Kontakt zum Patienten während den meisten Behandlungen früher oder später sowieso erfolgen müsse. Als wichtigstes Kriterium in der Akzeptanzfrage für den Einsatz digitaler Hilfsmittel bei Ärzten nennt er den Datenschutz.
Das Risiko, das durch mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen entstünde, sei vor allem in der Medizin sehr hoch. Dadurch habe sich eine besondere Vorsicht gegenüber Software, die mit Patientendaten gespeist wird, gebildet. Dies erkläre auch die ablehnende Haltung einiger Mediziner. Der Berg juristischer Hürden erschwere die Motivation zusätzlich, um sich mit Neuerungen wie der digitalen Patientenakte auseinanderzusetzen. Dazu käme auch die Angst davor, dass viele Aufgaben und Kompetenzbereiche durch Software ersetzt würden, vor allem bei älteren Kollegen. Hierdurch drohe ein gewisser Reputationsverlust. Anschließend stellt Dr. Hahne einige Apps vor, die er in seinem Arbeitsalltag teilweise unterstützend einsetzt: Ein Ordner, in dem er Dateien lagere, die er bei Besprechungen mit Patienten verwendet, würden ihm das Erklären diverserer Behandlung enorm erleichtern. Nachdem Möglichkeiten zum Sammeln der, durch die
Ärztekammer jährlich vorgeschriebenen Fortbildungspunkte erörtert wurden, wird der Vorschlag, Fortbildungen durch Health Games praxisorientierter und interessanter zu gestalten, thematisiert. Dr. Hahne erwähnt das Problem der Anwendbarkeit: Operative Schritte könne man schwer theoretisch lernen, sondern nur durch praktische Wiederholung. Die Realität ließe sich nicht immer in Mustern abbilden, da sie oft von den theoretischen Ablaufplänen abweiche. Auch die Anreize, die den Ärzten damit gesetzt werden sollen, sehe er nicht. Dies läge aber nicht an einer mangelnden
Innovationsbereitschaft. Alles in allem sieht Dr. Hahne in digitalen Angeboten vor allem das Potenzial, Zeit einzusparen, sodass Ärzte mehr Zeit für Patienten aufbringen können und sich damit
weniger von ihnen distanzieren. Dies sei auch wichtig, weil die Ressource Zeit wie auch andere Ressourcen in Zukunft für praktizierende Ärzte immer geringer ausfallen würden.
Dies ergebe sich aus dem Rückgang der niedergelassenen Ärzte und würde begünstigt durch Entwicklungen wie der Urbanisierung und dem Anstieg der Zahl an Patienten pro
Arzt. Zustimmung findet bei ihm die These, dass der Digitalisierungsgrad 2020 in der deutschen Medizin nach wie vor zu gering ist. Dies drücke sich in der übermäßigen Verwendung von Faxgeräten aus, da für andere Optionen die Regelungen zu Datensicherheit noch fehlen würden. Selbst bei der KIM (Kommunikation im Medizinwesen), einer Software, die die Anbindung der Praxen an die Kassenärztliche Vereinigung ermöglichen soll, bestünden noch Defizite.
Interview Herr Dr. Daniel Rosenthal
Herr Dr. Daniel Rosenthal ist 61 Jahre alt, seit über 25 Jahren als niedergelassener Neurochirurg im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie und seit 1980 in der Medizin tätig. Nebenbei arbeitet er als Kooperationsarzt an den Hochtaunuskliniken. Er betrachte den digitalen Wandel in der Medizin als sehr positiv. Die eingesparte Zeit bei allen Abläufen und Arbeitsschritten, das Entwickeln neuer Operationstechniken und die deutlich größere Menge an Informationen, die per Knopfdruck zur Verfügung stünden, seien nur einige der Vorteile. Datenschutz sei der größte negativ Faktor, was einzig an den unzureichenden Bestimmungen liege. Weiterhin führt Dr. Rosenthal an, dass die Digitalisierung zu geringerem Zeitaufwand beim Erstellen wissenschaftlicher Arbeiten
geführt habe und deren Qualität ferner gestiegen sei. Er nennt die Meinung eines Kollegen, der lieber bei der händischen Planung verblieben wäre und sich gegen den
technischen Wandel stemme. Dr. Rosenthal weist diese Haltung ab, da allein wegen der höheren Präzision computerassistiertes Planen unabdingbar sei. Ihm wird ein kurzer
Überblick über die Software Emerge gegeben. Dazu sagt er, dass er sich mit der Thematik noch nicht auseinandergesetzt habe, aber die Vorbehalte wegen der
Bezeichnung ‚Spiel‘ nicht teile. Bei der Notaufnahmesimulation sehe er viele Parallelen zu anderen Übungssimulationen, die er bereits vor 15 Jahren zum Erlernen neuerer
Techniken genutzt habe. Der Wandel hin zum digitalen Lernen fördere auch umfangreichere und interessantere Lernangebote, beispielsweise in der Anatomie. Auch nach der Pandemie sehe er einen Platz für abrupt eingeführte Neuerungen wie eine Hybridform von Zoom-Konferenzen. Im Anschluss wird ihm das Konzept der gamifizierten Anreize dargelegt und er wird nach der Akzeptanz gegenüber neuen Methoden in der Ärzteschaft gefragt. Dr. Rosenthal zufolge sei ein Mediziner, der Neuerungen gegenüber nicht aufgeschlossen ist und sich verweigert, mit der Zeit zu
gehen, heutzutage fehl am Platz. Kaum ein anderes Berufsfeld verändere sich mit solcher Geschwindigkeit und in so vielen Bereichen wie die Medizin. Negativ sehe er einen gewissen Zwiespalt in der Innovationspolitik der Branche. Einerseits seien alle Akteure erpicht darauf, möglichst schnell einen hohen Grad an Digitalisierung zu erreichen, und auf der anderen Seite bremse man sich selbst durch eine Vielzahl an Datenschutzbestimmen aus. So würden nötige Fortschritte durch unnötige Widerstände erschwert. Die Frage danach, ob in der Medizin eine einheitliche Digitalisierung versäumt wurde, verneint er. Er vergleicht die Sensibilität der Daten, um die es in der Medizin geht, mit denen eines Wirtschaftsunternehmens. Da die Daten sich auf Personen beziehen würden, sei das Risiko bei einem Datenleck viel größer als bei Geschäftsdaten, besonders für die betroffenen Patienten. Diese Sensibilität verursache einen hohen Aufwand in Bezug auf Datenschutzmaßnahmen und dadurch auch hohe Kosten. Diese Schutzmaßnahmen seien das Hauptproblem, da die Wege zum Transferieren sensibler Daten ja eigentlich bereits vorhanden seien. Sollte dieses Problem irgendwann bewältigt werden, würde sich die Frage stellen, ob es nicht sinnvoller wäre, Mediziner deutlich früher – also schon im Studium – an die digitalen Neuerungen heranzuführen. Dieser Vorschlag findet bei ihm Zustimmung und neben der fehlenden technischen Ausbildung sieht er auch Potenzial darin, Studierende zunehmend in ökonomischen,
computerwissenschaftlichen und juristischen Belangen zu unterrichten. Hier würden Ärzten häufig wichtige Grundlagen fehlen. Außerdem begingen viele Programmierer den
Fehler, keine Ärzte in die Entwicklung der Programme miteinzubeziehen und darunter leide die Benutzerfreundlichkeit und somit die Nutzungsbereitschaft. Als Lösung schlägt
er eine Grundsoftware zur Ausbildung vor, die von der Ärztekammer oder dem IMPP entwickelt und von privaten Softwareunternehmen verbessert werden könnte. Somit
wäre die Wissenschaftlichkeit gegeben und es könnte sich möglicherweise ein die Qualität steigernder, gesunder Wettbewerb etablieren. In Bezug auf die Übung der
Anamnese mit Health Games sagt Dr. Rosenthal, dass es dabei möglich sei, dem Fehlen der zwischenmenschlichen Interaktion mit hochentwickelter künstlicher Intelligenz zu
begegnen. Auf die Kritik des fehlenden Realitätsbezugs entgegnet er, dass die Realität oft viel simpler sei als in sämtlichen Übungsszenarios. Dazu käme, dass die meisten
Ärzte nur nach einfachen Schemata arbeiten würden, auch wenn anderes behauptet werde. Als Folge dieser Prozessierung würde der Mensch oft objektifiziert und als
Produkt angesehen. Ein Beleg dafür seien die Leitlinien, die als Handlungsempfehlungen bei Operationsentscheidungen dienten und an die sich in der
Praxis selten gehalten werde. Die Methoden, die aktuell in der Medizin eingesetzt werden, hält er teilweise für überholt. Auch das Fortbildungsangebot der Ärztekammer
könnte digital aufgefrischt werden. Hierbei sei entscheidend, dass allen Kollegen dieselben technischen Mittel zur Verfügung stünden, damit keine Chancenungleichheit
entstehe. Unter dieser Voraussetzung könnten die Programme Anklang finden, wobei sich ältere Kollegen unter Umständen trotzdem weigern würden. Ein gewisses
Altersgefälle bestünde immer, gerade in Bezug auf Technik, mit der die Jüngeren nun einmal aufgewachsen seien. Dadurch sei ihnen automatisch ein besserer Zu- und
Umgang mit technischen Mitteln gewährleistet. Diesen Fakt müsse man schon im frühen Studium nutzen, um individuelle Interessen und das Verständnis zu fördern.
Simulationen wie Emerge würden diesen Zweck erfüllen. Hinsichtlich des Übertragens des Modells auf Patienten, um etwa Monitoring-Aufgaben mit der Krankenkasse zu
vereinfachen, habe er große Bedenken, vor allem wegen dem Datenschutz und dem Problem der Datenübermittlung. Ganz grundlegend glaubt Dr. Rosenthal, dass das
Konzept der Health Games bei jüngeren Menschen Anklang finden werde, jedoch handele es sich um einen langwierigen Prozess. Damit es aber in der gesamten
Medizinbranche akzeptiert würde, müsse auf der Bildungsebene, also im Studium, mit der Vermittlung begonnen werden. Nur dann würde es in 20 oder 30 Jahren genug Ärzte
geben, um weitere Schritte bezüglich Fortbildungen etc. zu gehen. Allerdings müsse auch auf die Komplexität der Applikationen geachtet werden, denn sei sie zu hoch,
würden die meisten schnell keinen Mehrwert für sich sehen und die Nutzung abbrechen.
Interview Herr Ben Nicklas Schmermund
Herr Schmermund ist 23 Jahre alt und studiert seit zehn Semestern Medizin am Uniklinikum Essen. Er hat seine Doktorarbeit bereits abgeschlossen und befindet sich
im 6. klinischen Semester. Seine erste Assoziation mit dem Begriff ‚Health Games‘ sind die sogenannten ‚Skills-Labs‘, in denen in praktischen Simulationen, computergestützt verschiedene Eingriffe an einer Puppe simuliert und trainiert werden. Seiner Meinung nach ähneln sich diese beiden Konzepte. Bei den komplett digitalen Angeboten sehe er
oft das Problem in der schlechten Struktur. Es schrecke viele Nutzer ab, wenn zum Beispiel die Beschriftungen ungenau oder falsch platziert wurden. Herr Schmermund
wird der Gedanke des Monitorings von Patienten mithilfe von Health Games nähergebracht. Der Ansatz des ‚Shared-Decision-Makings‘ wird in der Medizin bereits
diskutiert und auch angewandt. Hierbei wird der Patient über alle Behandlungsschritte informiert und hat zumindest in Teilen ein Mitspracherecht. Herr Schmermund sieht in
Health Games eine digitale Variante dieser Idee. Die wachsende Menge an Patienten könnte durch digitale Aufnahme oder Monitoring-Hilfen besser bewältigt werden. Felder
wie der Informationsaustausch zwischen Arzt und Patient oder die Bereitschaft der Patienten in Bezug auf die Behandlung könnten so verbessert werden. Allerdings nennt
er auch die Gefahr, dass dem Patienten zu viele Möglichkeiten zur Übertherapie gegeben werden könnten (‚Wer am lautesten schreit wird als erster behandelt‘). Auch
der wegfallende Face-to-Face-Kontakt mit dem Patienten könne problematisch sein. Hinsichtlich des Konzepts der anreizgesteuerten Motivation wird Herr Schmermund
gefragt, ob es sinnvoll wäre, die Krankenkassen in das Monitoring einzubinden. Herr Schmermund gibt an, dass es solche Konzepte in Kombination mit Kontroll-Apps bereits
gebe. Zum Ende des letzten Jahres habe Gesundheitsminister Spahn erwirkt, dass auch Applikationen durch den Arzt verschrieben werden dürfen. Die Zielrichtung sei zwar klar,
aber es fehle vor allem noch an Bestimmungen zum Datenschutz. Die Vorgaben im Medizinproduktegesetz seien noch auf analoge Produkte ausgerichtet und die
Behandlung mit digitalen Produkten sei noch nicht kodifiziert. Der Begriff ‚Spiel‘ störe ihn insofern nicht, als dass die Definition was alles ein Spiel ist oft zu eng gefasst würde.
Alles, bei dem ein Ziel und ein eigener Antrieb zum Erreichen des Ziels vorlägen, könne als Spiel bezeichnet werden. Hinsichtlich der nötigen Akzeptanz seitens der
Anwendenden nennt er zwei Aspekte: der nötige Aufwand zum Einrichten der Programme und das Erlernen der Abläufe. Sei die Struktur der Spiele zu komplex oder
unverständlich, würden die Ärzte schnell das Interesse verlieren. Zweitens hätten viele Ärzte die Befürchtung, zwischen dem Patienten und dem Anbieter der Software lediglich
als Mittelsmann eingesetzt zu werden. Dies widerspräche dem Selbstverständnis eines vollausgebildeten Arztes. Des Weiteren bestünde die Gefahr, dass der individuelle
Berufszweig des Arztes durch die Software von ‚Big Playern‘ wie Microsoft oder Apple in seinem Umfang eingeschränkt würde. Zu viel Privatisierung habe schon anderen
Bereichen wie etwa der Bundeswehr nicht gutgetan. Zuletzt spricht Herr Schmermund erneut die Bedeutung der personenbezogenen Daten aus einer wirtschaftlichen
Perspektive an. Lägen genug Informationen zur gefragten Person vor, wäre es beispielsweise möglich, die Besetzung eines freien Postens im Vorstand eines DAXUnternehmens
zu beeinflussen. Auch hier wird also auf die essenzielle Rolle des Datenschutzes in der Akzeptanzfrage hingewiesen. Die digitale Infrastruktur in
Deutschland sei noch nicht ausreichend ausgebaut, um etwa die digitale Patientenakte in vollem Umfang nutzbar zu machen. Allerdings sei er sich sicher, dass dies in
spätestens zehn Jahren der Fall sein werde. Anschließend werden Pflichtpraktika in der Notaufnahme und die Möglichkeit, Studierende durch Emerge auf diese vorzubereiten,
thematisiert. Herr Schmermund sagt, dass Studierende auch während der Praktika lange nur Beobachter seien und keine aktive Beteiligung an den Behandlungen gegeben sei.
Doch da man früher oder später auch Entscheidungen treffen müsse und diese dann auch Konsequenzen hätten, wäre es nicht falsch, zumindest die Routinen in einer
sicheren Übungsumgebung einzustudieren. Damit würde auch das Selbstvertrauen der Studierenden gestärkt und Stress genommen. Er glaubt aber nicht, dass ein Programm
die Ausbildung direkt am Patienten verändern würde. Wettbewerb unter Kollegen bei Fortbildungen hält er für nicht zielführend. Wären jedoch alle Teilnehmenden eines
Fortbildungsseminars mit praktischen Aufgaben beschäftigt, könne er sich vorstellen, dass die Aufmerksamkeit höher und die Vorträge interessanter seien. Auch wenn er
Abschlusstests in konventionell schriftlicher Form empfehlen würde, sei er der Meinung, dass Fortbildungen unter anderem wegen logistischer Vorteile der richtige Rahmen für
die Einführung medizinischer Serious Games seien. Ob diese Methoden dann direkt Anklang fänden, hielte er für fraglich. Deshalb sei eine Verifizierung von offizieller Seit
nicht nur förderlich, sondern dringend notwendig, vor allem im Fall von Software, die Auswirkungen auf Operationen oder Behandlungen hat. Alle Arten von Spiel, bei dem
Anwendende austauschbar sind und dadurch keine Auswirkungen auf den Output entstehen, müssten wissenschaftlich nicht geprüft werden, da in diesen Fällen allein die
Qualität des Spiels die Nutzungsmotivation beeinflussen würde. Grundsätzlich sieht Herr Schmermund Potenzial in dem Konzept der Health Games. Am wichtigsten erscheint
ihm der Datenschutz und eine klare Kommunikation gegenüber den Ärzten hinsichtlich des Nutzens der Software. Es müsse eine fertige Software sein, die sich auf die
wesentlichen Punkte bezieht und für alle interessierten Anwendende finanzierbar ist. Nur wenn von Beginn an eine möglichst große Zahl an Ärzten vom Nutzen des Programms
überzeugt würde, würde es auch akzeptiert.
Interview Herr Philipp Kuthan
Herr Kuthan ist 23 Jahre alt und begann 2016 sein Medizinstudium an der Karlsuniversität in Prag. Seit April 2020 studiert er in Essen. Er selbst habe noch keine
Erfahrungen mit Computerunterstützung in der Medizin gemacht. Seiner Meinung nach sollte aber eine Software lediglich zur Unterstützung eingesetzt werden und in keinem
Fall die Grundkompetenzen eines Arztes überschreiten. Zur Lernunterstützung und Vorbereitung könne er sich die Anwendung von Programmen wie Emerge durchaus
vorstellen, was auch daran liege, dass mehr Praxis im Studium gefordert werde, dies aber aus logistischen Gründen nicht immer möglich sei. Durch Blockpraktika solle diese
Anforderung zwar so gut es gehe umgesetzt werden, aber im Endeffekt könne damit nicht ansatzweise der zu erlernende Umfang abgedeckt werden. Hinsichtlich der
Akzeptanz dieses Ansatzes käme es darauf an, von wem die Software gestellt würde. Als Beispiel führt er die Software ‚Insimio‘ an. Bei dieser ginge es darum, mit einem
bestimmten Budget und unterschiedlich teuren Tests möglichst viele Informationen über die Erkrankung des Patienten zu sammeln, um eine Diagnose zu stellen. Das Programm
fände jedoch wenig Beachtung, weil die Ärzteschaft eher Programme akzeptieren würde, die aus den eigenen Reihen geprüft und genehmigt wurden. Das IMPP (Institut für
medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen) sei vor allem im Studium die richtige Adresse, um angewandte Übungssoftware zu prüfen. Das Problem der Genehmigung
wiege für ihn höher als das der Ablehnung gegenüber spielerischen Methoden, zumal das Simulationstraining, das besonders in Essen qualitativ hochwertig sei, teilweise auch
mit spielerischen Ansätzen arbeite. Es biete eine sichere Übungsumgebung, in der unabhängige Beobachter Feedback geben können. Herr Kuthan führt allerdings auch
an, dass die Variante, bei der Schauspieler zur Simulation eingesetzt werden, besser sei, da auf diese Weise direkte soziale Interaktionen gegeben seien, die eine Puppe
nicht bieten könne. Noch mehr Bedeutung als dem Erlernen des Umgangs mit Patienten misst er in Bezug auf ein Programm dem Erlernen von Schemata und
Handlungsabläufen bei, gerade weil in der Medizin aus zeittechnischen Gründen von Ärzten eine zunehmend schematische Verfahrensweise erwartet werde. Dies läge auch
daran, dass eine solche Vorgehensweise eine gewisse Absicherung bei Fehlern biete. Das Auswendiglernen sei einer der Grundbestandteile des Medizinstudiums, was aber
nicht heiße, dass man nicht die Art und Weise, wie gelernt wird, verändern oder verbessern könnte. In diesem Zusammenhang spricht er das Karteikartenlernprogramm
‚ANKI‘ an. Dabei handele es sich um eine App, die ursprünglich zum Sprachenlernen entwickelt worden sei, aber mittlerweile für viele andere Fachrichtungen und vor allem in
den USA im Medizinstudium verwendet würde. Das Besondere an diesem Programm sei die Möglichkeit der freien Edition: Mit rudimentärem Verständnis von Software
könnten Bilder, Soundfiles und ganze Bücher eingefügt oder das Layout der Karten verändert werden. Dies ginge sogar so weit, dass Studierende die Art der Abfrage
verändern können, sodass positive Anreize wie der Schriftzug ‚Gut Gemacht!‘ nach einer bestimmten Anzahl an Karten eingeblendet werden. Aus der Community der Lernenden
hätten sich unzählige Varianten der Ausgangssoftware gebildet. Unter deutschen Medizinstudierenden sei sie noch nicht so verbreitet, aber international erfreue sie sich
großer Beliebtheit, vor allem bei jüngeren Studierenden. Das Ziel der Lehrenden sei es hauptsächlich, eine gute Lehre zur Verfügung zu stellen. Ob es Differenzen in der
Innovationsbereitschaft in Bezug auf das Alter gebe, vermöge er nicht zu beurteilen. Die Befürchtung einiger Mediziner, durch Technik schrittweise ersetzt zu werden, hält er für
einen validen Punkt. Es sei auch aufgrund des umfangreichen Studiums sicher bei dem ein oder anderen eine Frage des Egos, wie sehr er seine Kompetenz durch Technik
untergraben sehe. Durch das Gefühl, es besser zu wissen oder zu können, würden viele eine Software schnell als unnötig oder zu kompliziert abstempeln, womit sie sich aus der
Verantwortung zögen. Das Interesse sei seitens der Studierenden auf jeden Fall größer als die Bereitschaft der Lehrenden, digitale Methoden zu verwenden. Diese Diskrepanz
erschwere das Implementieren neuer Methoden in den Lehrplan. Das Monitoring von Patienten mit der Unterstützung von Health Games könne er sich vorstellen. Die Gefahr
von Falschangaben durch Patienten werde durch die Zeitersparnis mindestens ausgeglichen, wenn nicht übertroffen. In diesem Kontext spricht Herr Kuthan die digitalen
Strukturen in der deutschen Medizin an. Seiner Meinung nach ist die Einführung der digitalen Patientenakte längst überfällig. Die Erweiterung des Konzepts zusammen mit
den Krankenkassen mittels Monitoring-Apps würde sicherlich Interesse bei einigen wecken, wobei wichtig sei, welche Anreize Anwendenden in Aussicht gestellt würden.
Das bloße Profilieren oder Dokumentieren würde nicht ausreichen, weshalb er die Zusammenarbeit mit Krankenkassen besonders bei Ernährungs-, Sport- oder Anti-
Rauch-Apps als sinnvoll erachte. Zudem würden monetäre Anreize Menschen stärker motivieren.
Interview Herr Gerrit Voss
Herr Voss ist 24 Jahre alt, studiert seit fünfeinhalb Jahren (seit 2015) Medizin in Essen und bereitet sich zurzeit auf sein zweites Staatsexamen vor. Die Auswirkungen des
technischen Wandels hin zur digitalen Erfassung und Kommunikation in der Medizin nehme er hauptsächlich positiv wahr. Die Umstellung von analog auf digital gestalte sich
für manche Kliniken jedoch schwierig. Vor allem die Vernetzung mehrerer Bereiche über Distanzen hinweg hätten sich gerade in der Pandemie als vorteilhaft erwiesen. In Bezug
auf die Patienten habe er Bedenken, da durch die Distanz auch sozialer Kontakt verloren gehe, sodass sich Patienten eventuell zunehmend alleingelassen fühlen. Obwohl Herr
Voss den Begriff ‚Health Games‘ noch nie gehört hat, sieht er Potenzial in der Idee. Der große Bedarf an Ressourcen, der nötig sei, um alle auf den gleichen Wissenstand zu
bringen, sei jedoch ein zu beachtender Faktor. In der Ausbildung lerne man häufig Schemata, die nur auf einen kleinen Teil der in der Praxis vorkommenden Behandlungen
anwendbar sind. Gerade für Schemata, die also in der Regel nicht oder zu wenig gelehrt werden, würde sich das softwarebasierte Lernen anbieten. Außerdem seien Feedbacks
zu Diagnosen in der Medizin selten. Positives wie negatives Feedback könne jedoch dabei helfen, sich die besten Behandlungsmuster einzuprägen. In der normalen
Umgebung der Notaufnahme seien der Druck und die Konsequenzen eines Fehlers sehr hoch und durch eine sichere Übungsumgebung könne hier Abhilfe geschaffen werden.
Die mangelnde Akzeptanz gegenüber neuer Technik bei praktizierenden Medizinern könne der Tatsache geschuldet sein, dass sie ihr ganzes Berufsleben lang mit den
gleichen Methoden und Geräten ausgebildet wurden und mit ihnen gearbeitet haben, sodass es möglicherweise manchen Ärzten schwerfalle, sich auf Neues einzustellen.
Dies sei vor allem dann der Fall, wenn die Neuerung für nicht essenziel oder nützlich gehalten werde. Deshalb sei es wesentlich, Mediziner von Beginn an zu überzeugen und
nicht mit einem unfertigen Produkt zu beginnen. Herr Voss sieht ein gewisses Generationengefälle in Bezug auf die Annahmebereitschaft digitaler Hilfsmittel. Jüngere würden eher mit neuen Methoden und Technologien lernen und üben wollen, wohingegen Ältere ihr Wissen damit testen, aber den Nutzen eher hinterfragen würden, „weil ich habe das immer so gemacht und das war auch immer richtig” (Transkript Herr Voss S. 3, Z. 166). Ältere Mediziner würden folglich von vorneherein mit einer anderen
Erwartungshaltung an die Sache rangehen. An der Universität würden immer mehr digitale Lernmethoden angewandt, die bei den Lernenden auf Anklang stießen. Das
Simulationstraining, von dem es zwei Variante gebe, sei dafür ein gutes Beispiel. Bei der ersten Variante würden Behandlungen in Gruppen geübt und anschließend finde eine
Auswertung und ein Feedbackgespräch statt. Bei der zweiten Variante handele es sich um OSCEs (‚Objective Structured Clinical Examinations‘), also Prüfungen, bei denen
jeder Studierende objektiv bewertet wird (OSCE Uni Due) OSCEs hätten allerdings den Nachteil, dass die Ergebnisse in einem Bewertungsbogen
und nicht mit persönlichem Feedback ausgewertet würden und am Ende lediglich eine Note stünde, weshalb Herr Voss die erste Variante für besser hält. Durch das Feedback
und das Betrachten der eigenen Handlungen in Stresssituationen könne man sein Vorgehen reflektierter und mithilfe des Inputs erfahrener Mediziner hinterfragen. Als
Gründe dafür, dass solche Methoden nicht weiterverbreitet sind, nennt er die Kosten sowie die Tatsache, dass viele Krankenhäuser den Wechsel in das digitale Zeitalter noch
nicht vollzogen haben. Dieser Umstand liege unter anderem an der Ablehnung seitens älterer Mediziner, jedoch auch an der bürokratischen Trägheit im Land. Alles in allem
sehe er trotzdem Potenzial im Konzept der Health Games. Für ihn ist ein wichtiger Grundsatz der Medizin, der dadurch hinterfragt würde, die mangelnde Fehlertoleranz.
Man habe selten die Möglichkeit, aus Fehlern zu lernen, sondern man lerne nur, was falsch sei. Auch die Zielgruppe sei von Bedeutung: Mediziner, die schon lange
praktizieren, seien nur schwer vom Nutzen solcher Konzepte zu überzeugen, während dies bei der jüngeren Generation, die kurz vor oder nach dem Berufseinstieg steht,
anders sei.
Diskussion der Ergebnisse
Im Rahmen der vorliegenden Bachelorarbeit wurde untersucht, welche Faktoren sich positiv oder negativ auf die Akzeptanz und die damit verbundene Nutzungsintention
deutscher Ärzte in Bezug auf Health Games auswirken. Anhand von Experteninterviews wurde ferner die These, dass ältere Mediziner neuen Technologien gegenüber, eine
eher ablehnende Haltung einnehmen als jüngere Mediziner, überprüft. Einschränkend ist dabei anzumerken, dass nur wenige Mediziner befragt wurden. Aufgrund der
Überschneidungen der Aussagen der Befragten ist jedoch davon auszugehen, dass ein Überblick über die Haltung von Ärzten und Studierenden gegeben werden konnte. Die
Erkenntnisse dieser Arbeit beziehen sich lediglich auf Deutschland und sind somit nicht auf andere Länder anwendbar. Es wurden ferner ausschließlich Männer befragt,
weshalb kein klarer Rückschluss auf die Meinung weiblicher Ärztinnen und Studentinnen gezogen werden kann. Da das Geschlecht aber bei der Thematik keine
einflussnehmende Rolle spielt, ist davon auszugehen, dass Studentinnen und Ärztinnen ähnliche Ansichten vertreten.
Zunächst lag der Fokus der Arbeit auf dem visuellen und strukturellen Design eines Health Games, den Anreizen zur Motivationssteigerung und der wissenschaftlichen
Fundierung der Methoden. Im Laufe der Erarbeitung des Themas zeigte sich allerdings, dass für die Akzeptanzfrage die Strukturen im deutschen Medizin- und Bildungssystem
ebenfalls zu beachten sind. Zu diesem Zweck wurden sechs Interviews mit Medizinern verschiedenen Alters geführt, die somit über unterschiedliche Erfahrungen verfügen. Die
Interviews wurden mit einem Kodierleitfaden (s. Anhang 7) kodiert und im Anschluss wurden die Aussagen zur Akzeptanz auf die festgelegten Merkmale hin untersucht.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass ältere Ärzte nicht automatisch eine ablehnendere Haltung gegenüber neuen Technologien haben als jüngere, da sich die
meisten aufgeschlossen zeigten. Eine höhere Skepsis als bei den jüngeren Medizinern war dennoch zu erkennen, allerdings konnte diese nicht auf grundlegende
Ressentiments gegenüber Neuerungen oder Technologien zurückgeführt werden. Die wesentlichen Aspekte, die die Akzeptanz bei erfahrenen wie auch jüngeren Medizinern
beeinflussen, werden im Folgenden dargelegt. Die Vermutung, dass durch die Bezeichnung ‚Health Games‘ negative Assoziationen entstehen und sich dadurch eine
verzerrte Wahrnehmung ergibt, konnte größtenteils widerlegt werden: Fünf der sechs Befragten verwiesen auf die in der Medizin seit Jahren verwendeten
Trainingssimulationen und gaben an, dass nicht der Begriff, sondern die Funktion der Programme entscheiden sei. Herr Dr. Holger Hahne jedoch äußerte sich wie folgt zu
dem Begriff: „Das klingt nicht, als hätte es mit ernsthafter Medizin zu tun!” (Anhang 4 Transkript Dr. Holger Hahne Z. 72). Eine solche Reaktion dürfte nicht unüblich sein.
Allerdings konnte auch er nach einigen Erläuterungen von dem Konzept überzeugt werden. Ein wesentlicher Punkt der in unterschiedlichen Bereichen auftrat, ist die durch
digitale Angebote mangelnde Interaktion mit Patienten. Viele Befragte gaben an, dass in der Medizin ohnehin eine Tendenz dahingehend bestehe, Patienten zu objektifizieren
und als eine Art Produkt zu betrachten. Dieser Umstand sei zwar nicht ideal, aber aufgrund der hohen Anzahl an zu behandelnden Patienten und der damit verbundenen
emotionalen Belastung nötig. Allerdings sollte vor allem bei neuen Technologien oder Methoden versucht werden, dass weitere Abwenden vom Patienten zu verhindern.
Studierende, die nur anhand von Simulationen, Virtual Reality oder Puppen ausgebildet werden, können keine soziale Kompetenz erlernen, wobei es sich um eine Fähigkeit
handelt, die für Ärzte essentiell ist. Einige Ärzte befürchten laut Aussagen der Befragten außerdem, dass durch neue Technologien ihre Aufgabenbereiche soweit eingeschränkt
werden könnten, dass damit unweigerlich ein gewisser Reputationsverlust einhergehe. Das Medizinstudium sei lang und aufwendig und ein praktizierender Arzt verfüge über
viel Erfahrung und damit auch ein gewisses Selbstverständnis. Es sollte folglich nicht das Ziel sein, Mediziner als reine Kontrollinstanz abzuwerten, da Menschen, die
selbstlos die Profession der Medizin gewählt haben, dies nicht verdient haben. Vielmehr sollten die neuen Technologien Ärzten Zeit einsparen, damit sie mit ihrer Expertise
möglichst viele Patienten behandeln können. Der Eindruck das ein Programm sowohl zeitliche als auch qualitative Vorteile beinhaltet, wird allerdings bei der Einführung einer
Software selten vermittelt. Laut den Befragten ist jedoch der erste Eindruck von Bedeutung: Sei die Software bei der ersten Vorstellung noch nicht ganz fertiggestellt, zu
komplex oder nicht wirklich benutzerfreundlich, würden die meisten Ärzte schnell das Interesse verlieren, und sei der Lern- und Einrichtungsaufwand zu hoch, würden sich
Ärzte nicht mit dem theoretischen Nutzen beschäftigen, da dafür in der Medizin keine Zeit bleibe. Einer der beiden wesentlichen Faktoren, die in allen Interviews als
innovationshinderlich bezeichnet wurden, ist die mangelnde digitale Infrastruktur im deutschen Gesundheitssektor (vgl. Thiel et al. 2018, S. 224–226). Viele Kliniken
verwenden noch analoge Methoden zur Datenspeicherung, -aufnahme oder dem – transfer. Um zukünftig Softwarelösungen effizient nutzen zu können, ist eine gute digitale
Infrastruktur jedoch unabdingbar. Auch wenn der Prozess der digitalen Umstellung in vielen Krankenhäusern bereits läuft, ist wohl das größte Hindernis der Datenschutz. Die
Daten der Patienten, die auch bei Health Games mit Patientenbezug gesammelt würden, sind hochsensibel. Das gesundheitliche Profil einer Person könnte bei einem Leak
negative Folge für diese haben. Um das zu verhindern, sind strenge Datenschutzregularien und Sicherheitsmaßnahmen nötig. Alle befragten Ärzte halten
diese Voraussetzung in der deutschen Medizin für noch nicht gegeben. Ein Beispiel sind die Impfdaten in der Corona-Pandemie, die mangels sicherer Alternativen per Fax an
die Gesundheitsämter weitergeleitet werden müssen. Sichere Methoden zur Datensicherung und zum Transfer könnten den Ärzten und dem medizinischen Personal
folglich Arbeit einsparen und gleichzeitig Möglichkeiten für neue Softwarelösungen wie Health Games schaffen. In dem Konzept der gamifizierten Motivationssteuerung sehen
alle Befragten Potenzial. Wenn die Strukturen dafür vorhanden sind, werden die Programme besser funktionieren, sodass eine höhere Qualität gegeben ist. Es stellt sich
allerdings die Frage nach den Anreizen, die Anwenden gesetzt werden müssten, damit sie gamifizierte Konzepte nutzen. Die Reize dürfen nicht ausschließlich innerhalb des
Spiels gesetzt werden, auf diese Weise werden zu wenig Leute angesprochen. Ein Vorschlag ist es, Krankenkassen in Bezug auf die Anreize miteinzubeziehen. Dieser
Ansatz ist vielversprechend, allerdings ist er aufgrund der nötigen Übermittlung von Daten zurzeit noch nicht praktikabel. Das aussichtsreichte Feld für Health Games ist die
Ausbildung. Die interviewten Medizinstudierenden berichteten von verschiedenen digitalen Lernangeboten, die teilweise von Universitäten genutzt werden. Das beste
Beispiel bietet dafür die Anki-Medizinier-Community auf reddit (s. MedSchoolAnki). In den jüngeren Generationen ist die Bereitschaft, solche Angebote zu nutzen, hoch. Durch
den Einsatz dieser Games könnte das antiquierte Medizinsystem digitalisiert werden, was logistische sowie auch andere Vorteile mit sich bringen würde: Trockenes
Auswendiglernen könnte abwechslungsreicher gestaltet werden und die herrschende Fehlerkultur könnte revidiert werden. Durch Simulationen mit Feedback von erfahrenen
Beobachtern könnten Zusammenhänge besser aufgezeigt und Diagnosen differenziert erklärt werden. Dies gilt vor allem für die Umgebung von Emerge, da Studierende darin
die Notaufnahmesituation in einer sicheren Übungsumgebung und ohne Stress praktizieren können. In Bezug auf die Effektivität und die Geschwindigkeit, mit der neue
Programme in der Nutzung angenommen werden, besteht eine Diskrepanz zwischen Jung und Alt. Wie aber auch Dr. Rosenthal anführte, muss an den Universitäten damit
begonnen werden, Ärzte mit neuen Technologien vertraut zu machen und ihre Bereitschaft zur Nutzung zu fördern. Eine Bestätigung der wissenschaftlichen
Fundierung der angewandten Methoden und Daten, von offizieller Seite wäre in diesem Kontext von Bedeutung. Durch eine Prüfung des IMPP oder der Ärztekammer könnte
die Bereitschaft zur Verwendung bestimmter Programme gestärkt werden. Ein Zusatz im MPG zur Regelung von Medizinsoftware und Health Games wäre daher
wünschenswert, jedoch müssten zu diesem Zweck zunächst Wirksamkeitsstudien durchgeführt werden. Es gilt, weiter zu beobachten, ob der Digitalisierungsgrad in der
Medizin und im Medizinbildungssystem in Deutschland steigt, und welche Auswirkungen dies auf die Akzeptanz und Verwendung von Health Games hat. Sobald mehr Health
Games in der Praxis eingesetzt werden, sollte deren Nutzen durch repräsentative Studien ergründet werden. Bei nachweislich positivem Nutzen könnte der Einsatz
solcher Spiele gefördert und damit vielen Menschen geholfen werden.
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Haltung der deutschen Medizin gegenüber technischen Innovationen nicht grundlegend ablehnend ist. Vielmehr liegt
es an den Strukturen, die sowohl die Integration in den Krankenhausalltag erschweren, als auch Studenten mit zu wenig digitaler Kompetenz ausstatten. Daraus ergibt sich
der größte negative Faktor in der Akzeptanzfrage von Health Games. Ärzte haben ihren eingeübten Arbeitsablauf. Dieser Ablauf funktioniert mit den Mitteln, die ihnen
beigebracht wurden. Versucht man nun neue Punkte in diesen Ablauf zu integrieren oder alte zu ersetzen stellt das eine Disruption ihrer Arbeitsweise dar. Aus der
Vergangenheit haben die Mediziner von großem zeitlichem Aufwand bei den Einführungen neuer digitaler Lösungen berichtet. Durch die dazu fehlenden oder
unvollständigen Datenschutzmaßnahmen verbinden die Ärzte damit zu aller erst Aufwand. Die Kombination schmälert die Bereitschaft einer neuen Software eine
Chance zu geben und damit die Akzeptanz maßgeblich. Die Skepsis teilten alle befragten Mediziner ganz unabhängig vom Alter. Auch wenn
die Studenten, durch mehr Kontakt zu Simulations- oder Trainingsprogrammen offener gegenüber technischen Neuerungen waren, das Potenzial des Konzepts Health Game
bestätigten alle Befragten. Das deutet sich dadurch an, dass noch während dieser Arbeit Patient Zero Games eine Kooperation zusammen mit der MediCAD GmbH
aufgenommen hat. Zusammen wollen sie eine Knieoperationssimulation entwickeln, mit der sowohl praktizierende als auch sich in der Ausbildung befindende Ärzte
Eingriffe am Knie üben können. Dieses Programm soll auf gamifizierte Anreize setzen. Natürlich kann von 6 auch nur männlichen Befragten kein repräsentativer Rückschluss
auf die gesamte Ärzte- und Studentenschaft gezogen werden. Dafür gehörten umfangreichere Studien mit mehr Partizipanten angelegt. Allerdings können die hier herausgearbeiteten Einflussfaktoren auf die Akzeptanz, für die zukünftige Forschung verwendet werden. Vor allem sollte man, neben Wirksamkeitsstudien eingesetzter
Health Games, untersuchen welche Anreize wie bei welchen Adressatengruppen aufgenommen werden. Damit man positive Anreize in und um die Spiele setzen kann,
um ihren Einsatz und auch ihre Effizienz zu steigern. Außerdem sollten für zukünftige Health Games Entwickler in jedem Fall Ärzte mit einbeziehen. Am besten wäre
natürlich, wenn man direkt mit den medizinischen Prüfgremien wie der Ärztekammer für Fortbildungen und dem IMPP für Educational Health Games im Medizinstudium
kooperiert. Das Konzept Health Games ist in Anbetracht der wachsenden und, man betrachte nur die pandemische Lage, wichtiger werdende Digitalisierung, ein vielversprechender
Ansatz. Der sich noch in einige interessante Richtungen weiterentwickeln wird. Sicher ist, sobald die fehlenden Strukturen aufgebaut, sowie der bessere Datenschutz
gewährleistet ist, wird die Deutsche Medizin den Einsatz ordentlich wissenschaftlicher Programme, mit hoher Wahrscheinlichkeit begrüßen und zu ihrer Optimierung
beitragen.
Internetquellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
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2020, Berlin: Verband der deutschen Games-Branche.
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Potential digitaler Lernspiele, in: Tobias Bevc / Holger Zapf (Hrsg.), Wie wir spielen, was
wir lernen, Konstanz: UVK, S. 95.
Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere eidesstattlich, dass ich die vorliegende schriftliche Arbeit selbstständig
verfasst und keine anderen als die von mir angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die
Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen
sind, wurden in jedem Fall unter Angabe der Quellen (einschließlich des World Wide
Web und anderer elektronischer Text- und Datensammlungen) kenntlich gemacht. Dies
gilt auch für beigegebene Zeichnungen, bildliche Darstellungen, Skizzen und
dergleichen. Mir ist bewusst, dass jedes Zuwiderhandeln als Täuschungsversuch zu
gelten hat und gemäß § 16 bzw. 28 Allgemeine Bestimmungen mit „nicht ausreichend“
bewertet wird.
Marburg, den ……… Unterschrift
Anhang
Max Seel Tel: +49 1733463640
E-Mail: seel.max@web.de
Kontaktdaten der Interviewpartner:
Herr Dr. Hahne E-Mail: dr.hahne@t-online.de
Herr Dr. Rosenthal E-Mail drosenthal@drosenthalmd.com
Tel: +49 6172 917 10
Herr Dr. Schlüter-Brust E-Mail: klaus.schlueter-brust@cellitinnen.de
Herr Schmermund E-Mail: ben.schmermund@stud.uni-due.de
Tel: +49 1577 4062836
Herr Kuthan E-Mail: P.Kuthan@web.de
Tel: +49 176 38633529
Herr Voss Tel: +49 1511 9648374
252 oben bei den Chefarztkonferenzen 6 Stunden zu hocken und sich das Gedönse anzuhören
253 ist einfach langweilig. Ja ist ja auch nicht Sinn der Sache.
254 MS Dann habe ich noch einmal um einen großen Bogen zu schlagen nochmal zurück zu
255 den Serious Games Zum Beispiel bei jetzt Emerge oder dem Anästhesiesimulator ist es ja
256 wichtig, dass da die Ergebnisse oder die angewandten Methoden richtig sind. Also das da
257 eine Diagnose gestellt wird und die ist nicht richtig wäre ja fatal. Bei Emerge ist das der Fall
258 das wurde ja auch mit der Uni Klinik Göttingen entwickelt. Die Methoden sind
259 wissenschaftlich und sind richtig wie könnte man glauben sie den Leuten das vermitteln?
260 Wenn es einfach nur da steht glauben die Mediziner ja nicht
261 KSB Nee
MS Ich als Anwender würde das 262 auch nicht direkt glauben.
263 KSB Nee vollkommen richtig aber das Game könnte vielleicht funktionieren, wenn man das
264 wie Wikipedia gestaltet. Dass man selbst auch Veränderungen vornehmen kann. Also dass
265 man interaktiv sein darf und dass man auch sagen kann okay und das finde ich wichtig, weil
266 man im Zweifel auch zwei Meinungen für ein Thema haben können.
267 MS Ja es kommt ja auch auf das Merkmal oder Symptome an die können ja auch für
268 mehrere Krankheiten stehen. Je mehr Info man hat.
269 KSB Ja Exakt und das sollte mit Artificial Intelligence gepaart sein.
270 MS Die das auswertet?
271 KSB Genau!
272 MS An sich ist das eine sehr interessante Idee das werde ich weiterleiten an die Entwickler.
273 Und meinen sie sowas wie das MPG wenn jetzt Emerge darunterfallen würde, würden dass
274 die Mediziner dann eher akzeptieren?
275 KSB Steht das zur Diskussion, dass so etwas unter das MPG läuft?
276 MS Zur Diskussion wäre jetzt etwas zu weit vorgegriffen aber es wurde schon einmal
277 angeregt. Es ist ja die Frage es gibt keinen Mechanismus der die Software bei dem
278 Kontrollorgan einzuordnen. Ich sage es mal so es könnte irgendwann in 10 15 Jahren
279 darunterfallen. Vor allem wenn es dann als Ausbildungswerkzeug für praktizierende oder
280 baldige Mediziner genutzt wird Muss das schon gut kontrolliert werden.
281 KSB ja da haben sie Recht. Und die Frage war jetzt ob es dadurch mehr Akzeptanz erhalten
282 würde? Ich glaube die größte Akzeptanz wäre und da waren sie schon auf dem Richtigen
283 Weg das es automatisierte Fortbildungspunkte gibt. Also das es von der Ärztekamme
284 anerkannt ist und mit Fortbildungspunkten belegt ist. Das ist schonmal ein großer Punkt Ja
285 und zum MPG, da habe ich keine Meinung zu. Ob das jetzt hilft das als Medizinprodukt
286 einzustufen das war ja die Frage oder?
287 MS Ja Es ist ja eher eine rechtliche Grundlage Medicad ist ja auch eine Medizinprodukt und
288 dadurch verpflichtet immer kontrolliert und immer auf dem neuesten Stand zu sein.
289 KSB Was ist den Medicad für eine Medizinprodukt nach welcher Klassifikation? 1 2 3?
290 (Nachreichen Kategorie MediCAD)
291 MS Das müsste ich nochmal nachlesen da fragen sie mich jetzt was
292 KSB Weil ich sags ihnen so wenn ich MPG höre dann fällt mir erstmal alles ausm Gesicht.
293 Weil ich natürlich irgendwann immer die Hoffnung habe, dass ich mir so eine Art Custome
294 Made Dig System mir selber mal drucken kann. Und da bin ich natürlich voll drin in den
295 rechtlichen belangen. Und wenn man sie da reinliest und reinarbeitet denkt man oh Gott.
296 Was man da für Sachen einhalten muss. Das wird so eine Software natürlich erstmal
297 ordentlich an Zeit Kosten dadurch zu kommen. Die Anforderung an eine Medizinprodukt und
298 dann wäre der Gaming Charakter auch nicht mehr dann ist es ja keine Serious Gaming
299 mehr oder?
300 MS Das wäre die Frage wie viel dann verloren geht. Wenn die ganzen theoretischen
301 Medizinprodukte Vorgaben eingehalten werden können. Es gibt noch keine Regulierung für
302 so eine Software weil es wie gesagt Serious Games for Health noch nicht so wirklich
303 angekommen sind in der Medizin. Dann wollte ich nochmal Weg von der Software wie sie im
Krankenhaus angewandt wird zur Ausbildung. Es gibt zum Beispiel 304 auch Serious Games wie
305 das iCancer Projekt. Das ist dafür da dass sich Krebspatienten einen virtuellen Avatar
306 erstellen um miteinander zu kommunizieren dokumentieren welche Medikamente sie
307 genommen haben wie der Krankheitsverlauf ist. Das wird gesammelt ausgewertet
308 KSB Wie heißt das Programm?
309 MS iCancer Projekt es ist ein Konglomerat aus vielen Projekten. Ich finde die Idee sehr
310 interessant, weil man das was im Moment Schwestern machen müssen Überwachen hat der
311 Patient seine Medikamente genommen hat er genug Sport gemacht oder Digitale Zeitpläne
312 erstellen kann.
313 KSB Und er muss dann auch noch also das is ja für ihn auch doll alles aufzuschreiben was
314 er alles nimmt aber das ist ja grade bei den Krebspatienten stell ich mir das hochkomplex
315 vor. Dass sie sich einerseits auch noch als Gläsernes Objekt sehen als ihren eigenen
316 Charakter der anderen hilft find ich toll. Aber mit ihren Medikamenteneinnahmen und
317 Arztterminen haben die so viel zu koordinieren und zu machen. Das ich mir vorstelle sowas
318 könnte nur funktionieren, wenn es fast automatisiert funktioniert
319 MS Oder vielleicht wenn die Schwestern oder die Ärzte die Medikamenteneinnahme
320 überwachen. Dass der Patient nicht allesmachen muss.
321 KSB Ja
322 MS Das ist jetzt nicht wirklich ein Spiel da es eher dem Dokumentationszwecke dient. Aber
323 es hat die Komponenten des sozialen Netzwerks über die sich die Patienten austauschen
324 können.
325 KSB Verstehe
326 MS Es ist schwer einzuordnen in die Serious Games da der Begriff Games sehr irreführend
327 sein kann. Des Weiteren gibt es auch noch HGs die man sich aufs Handy laden kann als
328 zum Beispiel Jogging Apps oder Ernährungs-Apps. Könnten sie sich vorstellen das so etwas
329 zum Monitoring in Krankenhäusern eingesetzt wird? Mit Hilfe der Patienten oder evtl auch
330 ohne?
331 KSB Ja das ist echt eine gute Frage ich sehe dann immer die Situation dass wir immer
332 weniger Ressourcen im Krankenhaus zur Verfügung haben und uns diese
333 Ressourcenlosigkeit Zeit nimmt den Patienten zu befragen ich hatte eher mehr so das
334 Gefühl wir fangen jetzt natürlich mit dem E Patienten an das geht ja dann dahin alle Daten
335 alle Tabletten sind eingescannt das Material was der Patient bekommt ist eingescannt aber
336 ob er es am Ende wirklich nimmt diese Kontrolle muss automatisiert passieren außer er hat
337 ein Bedürfnis daran das zu fälschen das müsste über technische Möglichkeiten
338 dokumentiert werden. Der Roboter der ihm die Tablette gibt müsste das automatisch
339 erfassen das ist keine Hilfe, wenn da irgendeines Menschen auch irgendwas dran machen
340 muss
341 MS Also sie meinen das müsste alles eher technisch dokumentiert werden?
342 KSB Ja absolut da ist der Patient sowie der Arzt viel zu fehleranfällig und die Compliance
343 des Patienten ich hab keine Idee dafür wie es gehen könnte aber ich hab nur die Vorstellung
344 davon wir wissen dass bei 3 bis 4 Tabletten Der Patient aufhört seine Compliance auf alles
345 was über 4 Tabletten täglich ist sinkt prozentual mit der Zunahme dramatisch bei
346 Chemotherapie Patienten oder Patienten die Vorerkrankung haben das auch dann über eine
347 App aufzuerlegen das ist nix da und die Schwestern und Pfleger haben dafür auch keine
Zeit. Die Methode die es geben könnte eine Vorstellung die Ich 348 habe da klar ist der Patient
349 hat die Sachen genommen und es wird automatisch erfasst das wie der Brief der von einer
350 bekommt wie ein Rückschreiben das wäre ein Tool das funktionieren könnte Ich habe ihre
351 Frage jetzt nicht beantwortet.
352 MS Alles gut ich hab sie auch breit gestellt. Also momentan korrigieren sie mich, wenn ich
353 da falsch liege momentan findet das alles noch händisch statt der Tablette werden dem
354 Patienten nur hingestellt?
355 KSB Die werden nur hingestellt und da ist die Erfahrung alles oder nichts also was ich schon
356 alles erlebt hab, ich hab sie in der Toilette gefunden ich hab sie unterm Kissen im Bett oder
357 sie werden mit nach Hause genommen oder man dachte es ein Zäpfchen und man hats
358 gelutscht ich hab alles erlebt es ist alles und nichts möglich da steckt wirklich viel, viel
359 verbesserungspotential
360 MS Das wäre auch der Zweck dahinter, dass man diese ganzen Prozesse beschleunigt und
361 optimiert um den Pflegepersonal Arbeit abzunehmen. Der Sinn dahinter wäre auch dass
362 man die Compliance der Patienten erhöht indem sie durch die spielerischen Anreize von
363 selbst machen wollen ich hab jetzt kein konkretes Beispiel eine Bestenliste macht keinen
364 Sinn
365 KSB Dann würden die anfangen noch 3 Tabletten vom Nachbarn zu nehmen *lacht*
366 MS Ja das wäre kontraproduktiv.
367 KSB ja weiß ich auch nicht eine Bestenliste hilft da nicht. Als ich 96 in Amerika war das ist ja
368 jetzt schon ganz lange her. Da gab es schon die Apotheken Roboter. Das heißt, da gab es
369 nicht die Krankenschwester, sondern die Dinger wurden eingescannt. Jeder Patient hatte
370 seinen QR Code. Und da hinterlegt. War dann der Apotheken Roboter. Und die Tabletten
371 kam und musste sofort genommen werden.
372 MS Das ist ja genau das was sie meinten.
373 KSB ja genau und ein Roboter hat die Zeit dafür und ist auch keine menschliche Ressource
374 die auch unglücklich ist. Aber doch sicher auch da muss man sagen, ich bin immer wieder
375 verwundert wie man Menschen über spielerische Belange dazu bringt Sachen zu machen.
376 Ich find den Zugang gar nicht schlecht ich kanns mir durchaus vorstellen, wenn man des
377 über spielerische Ansätze macht und dann sagt beim nächsten Arztbesuch hab ich meine
378 Bonuspunkte und bin früher dran. Keine Ahnung war jetzt ein Witz. Aber das Einnehmen von
379 Medikamenten so wie es der Arzt verordnet hat könnte dann einen Bonus beim
380 Krankenversicherer geben. Zum Beispiel oder eine Erhöhung der Rückgelder oder bessere
381 Betreuung oder was auch immer da gibt es tausende Möglichkeiten. Wo man Anreize
382 schaffen könnte grade in einem Gesundheitssystem das so knausert wie wir also knausern
383 nicht unbedingt aber sie wissen ja.
384 MS Mein Gedanke war jetzt etwas simpler SAP hat eine Software in den Aufgaben verteilt
385 werden und wenn die Aufgabe erfüllt wurde und auch doppelt gecheckt vom Vorgesetzten
386 darf man gegen den Vorgesetzten eine Runde virtuelles Minigolf spielen Und dadurch haben
387 sie es geschafft die Produktivität um etwa 30 % zu erhöhen und man könnte Patienten
388 übertragen. Aber ich finde ihren Ansatz viel besser die Versicherer mit reinzunehmen, da
389 muss man nur aufpassen das es nicht negativ ausgenutzt wird wie, wenn sie die Tablette
390 nicht nehmen streichen wir ihnen die Bezüge
391 KSB Stimmt das ist ja so wenn sie Krankenversicherungsansprüche nicht erhoben haben
392 bekommen sie am Ende Geld zurück, was ich mit meiner Familie noch nicht geschafft habe.
Das ist auf jeden Fall ein Anreiz. Wenn man sich sagt ich 393 nehme meine Tabletten und ich
394 weiß das eine geringe Compliance bei vielen Tabletten drinsteckt. Und die auch so wirken
395 wie die Wissenschaft es sich erhofft habe ich eine Heilung erreicht bekomme etwas zurück.
396 Das darf aber nicht im Sinne einer Bonus Malus Rechnung ausarten. Aber obwohl Herr im
397 Himmel warum denn nicht. Dass die Medizin sagt Kinners wenn ihr keine Masken tragt dann
398 werdet ihr eben bei der Triagierung falsch behandelt oder wenn ihr tausend Zigaretten
399 raucht und der Lungenkrebs ausbricht müsst ihr die Behandlung selber zahlen. Klingt jetzt
400 super unsozial und aus Medizinermund schon komisch faschistoid. Aber keine Ahnung ob
401 es dahingeht
402 MS wenn man bedenkt, dass Krankenversicherung schon so handeln, wenn man Jahre
403 lange Raucher ist hat man höhere Bezüge zu zahlen, weil das Risiko höher ist. Und für die
404 Versicherer macht es Sinn das Risiko der Patienten zu mindern.
405 KSB Ne die Versicherer ins Boot zu holen macht auf jeden Fall Sinn. Das kann ich mir schon
406 vorstellen.
407 MS Wenn sie so den Begriff Health Games höre ich bei ihnen raus, dass sie darin schon ein
408 Potenzial sehen?
409 KSB Ja ein Riesenpotenzial.
410 MS Haben sie das EMERGE mal ausprobiert? Kennen sie den Dr. Tobias Raupach?
411 KSB Ne aber da schaue ich rein. Ja das hatten sie dazu geschrieben, er hat doch mit
412 entwickelt oder kenn ich. Meine Reaktion war nur also ich habe da nich direkt reingeschaut,
413 weil es ja Notfall Medizin ist und das nicht direkt mein Fachgebiet ist. Hätten sie mir was mit
414 Orthopädie geschickt, wüsste ich schon womit ich meine Weihnachtsferien verbringen
415 würde.
416 MS Das witzige ist auch mediCAD und Patient Zero Games die Entwickler haben wir
417 zusammengebracht und die entwickeln tatsächlich grade eine Software für Knieoperationen
418 damit man das in einem spielerischen Rahmen trainieren kann aber das haben sie nicht von
419 mir.
420 KSB Super, nein ich weiß darüber natürlich nichts aber sie dürfen mich diesbezüglich gerne
421 ansprechen.
422 MS Es gibt auch in Köln meine ich mobile Trainingszentren wo Chirurgen an Schweinen
423 trainieren können in einem Container. Haben sie davon schon einmal gehört?
424 KSB Also wir haben viele Notarztkurse und da wird grundsätzlich am Schweinekadaver
425 intubiert und Dränagen gelegt. Also das gehört dazu ich habe die Ausbildung zum
426 Notfallmediziner auch gemacht und das Nähen also unsere Nähausbildung wird im
427 Krankenhaus am Hühnchenbein und am Schweinenacken trainiert.
428 MS Ja okay das Nähen muss man ja einem Objekt üben aber für andere Medizinische
429 Eingriffe könnte man da in die VR oder AG gehen um nicht mehr so viele Schweine
430 schlachten zu müssen.
431 KSB Ja ich meine in Amerika der Anatomie Unterricht sie haben den ja grade
432 angesprochen. Da ist ne ganze Schulklasse mir Microsoft HoloLens ausgestattet. Das macht
433 auch nur Sinn ich meine die ganze Anatomie Fortbildung, wenn sie sich vorstellten das sie
434 dann durch den Magnetresonanztomographen damit kann man schon lernen und das ist ja
435 schon Social Gaming. Weil sie haben eine Brille auf nicht nur Mixed Reality, weil sie
müssen die Puzzleteile zusammenstecken und überlegen 436 wo gehört denn das Herz hin und
437 dann was macht denn das Herz.
438 MS Ich denke auch wenn es in der Schule angewandt wird, wird es automatisch zu einer
439 Competition.
440 KSB Genau eben das stimmt.
441 MS Haben sie in ihrem privaten Umfeld schonmal HG eingesetzt.
442 KSB Nein aber ich habe ja die Hololens von MediCAD zur Verfügung gestellt bekommen
443 und habe jetzt da in meinem kleinen Labor das ist nicht Gaming aber das ist für mich, dass
444 ich da Operationsschritte auf die Brille setze und versuche zu simulieren und die Studenten
445 setzen die Brille auf und üben damit. Und wenn sie Health Gaming dafür nutzen ist es
446 natürlich so dass sie die Aufgabe den Patienten den sie operieren sich als 3D Knochen zu
447 modellieren und Auszudrucken. Und dann können sie an dem ausgedruckten Knochen
448 spielerisch Bohren und Sägen üben das ist jetzt nicht zwingend Gaming aber es, ja macht
449 einfach einen Riesen Spass. Wenn man denkt das ist der Knochen den ich nächste Woche
450 vor mir habe und den kann ich jetzt schon operieren. Da kann man sich da
451 Gamingstrukturen ausdenken, dass Müller gegen Meier operiert aber das ist ja gar nicht der
452 Punkt. Sondern das Game besteht darin habe ich die Operation am Kunstknochen gut
453 gemacht und das Lernen ist ja schon ein Gaming Effekt und hoch motivierend.
454 MS Dadurch, dass sie es simulieren und es nicht die echte Operation ist und es wird etwas
455 vermittelt und gelernt allein dadurch ist es ja auch schon einen spielerischen Aspekt.
456 KSB Finde ich auch vor allem, weil es ja dann doch tatsächlich der Patientenknochen ist.
457 Das ist ja der Riesen Unterschied. Ich glaube die Verbindung bricht so langsam ab.
458 (Verbindungsprobleme)
459 KSB Ich höre sie ganz gut aber damit war die letzte Frage ja beantwortet oder?
460 MS Ja wir sind soweit durch damit können wir das Gespräch perfekt zu den Internet
461 Schwankungen beenden.
462 KSB *lacht* Alles klar
463 MS Dann Herr. Dr. Schlüter Brust ich danke ihnen für ihre Zeit es war ein sehr interessantes
464 Gespräch.
465 KSB Super ich hab auch viel Freude drangehabt und machen sie nen guten
466 Jahresübergang und halten sie mich auf dem Laufenden wen es Gaming an
467 Knieoperationen angeht und bleiben sie Gesund und ihre Familie auch.
468 MS Wünsche ich ihnen auch machen sie es gut.
469 KSB Danke Tschüss
470 Gesamtdauer von 56 Minuten